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In der katholischen Messe wurde der Altar als Sinnbild des Abendmahltisches

Christi gedeutet; der Kelch als das Sinnbild des heiligen Grabes; die Patene (der

flache Teller, welcher darüber gedeckt wird) als das Sinnbild des Steines, womit

das Grab Christi verschlossen wurde; das Korporale (das geweihte Linnen, welches

der Priester auf den Altar breitet, um den Kelch darauf zu stellen) als das Zeichen

des Leichentuches, in welches Christus gehüllt wurde

1

.

Die Abbildung der heiligen Geschichte im Kultus erstreckt sich

überall auch auf Einzelheiten, welche aus den soeben entwickelten

Grundsätzen klar werden. Wir führen dafür einige Beispiele an:

Der Tempel der römischen Göttin des Herdfeuers, Vesta, auf dem Forum war

nach Plutarch deshalb rund, weil er das Weltall vorstellte (in dessen Mitte die

Pythagoreer das Weltfeuer setzten). — „Dem Hohenpriester Aaron soll der Saum

des Leibrockes, den er antat, sooft er in das Allerheiligste eintrat, mit goldenen

Glöckchen und. Granatäpfeln geschmückt worden sein ... Hier sind nach der Er-

klärung Philons die Glockentöne ein Symbol von dem Einklang der Welt und

der Harmonien der Sphären, wie der jüdische Hohepriester überhaupt als ein Bild

des Universums angesehen ward“

2

.

Es „scheinen die d o d o n ä i s c h e n S ä u l e n (der Griechen) mit dem, was

auf ihnen stand, folgenden Sinn auszudrücken: das nicht große eherne Becken war

eine Halbkugel und ein Bild des Himmels, die knabenartige männliche Gestalt ein

Bild des Demiurgen... ; die Glockentöne ein Symbol der Weltharmonie und

Musik der Sphären“

3

.

Da die Kultformen das heilige Geschehen darstellen, erlauben sie

auch einen Schluß auf die Gottesvorstellungen, allgemeiner auf die

s p e k u l a t i v - t h e o l o g i s c h e n G e d a n k e n , welche dem

Opfer zugrunde liegen.

Hierher gehört z. B. die wiederholt erwähnte Lehre der Edda, daß Wotan am

Baum sich selbst zum Opfer gebracht habe:

„Ich weiß, daß ich hing

Am windigen Baum

Neun Nächte lang

Mit dem Ger verwundet,

Geweiht dem Odin,

Ich selbst mir selbst...“

Diese merkwürdige Lehre, welcher bekanntlich eine bestimmte Form des

Opfers

4

entsprach, scheint mir nur erklärlich, wenn man annimmt, die Vorstel-

lung von der Schöpfung sei in der germanischen Religion nach dem Bild der

E m a n a t i o n gefaßt worden. Dann ist nämlich der Weltenbaum, denn um /

diesen kann es sich ja allein handeln, zugleich Wotan selbst. Er ist nach der

Emanationsvorstellung die aus ihm ausgeflossene Welt; und Wotan hängt an die-

1

Die Belege bei Wilhelm Hertz: Parzifal, 4. Aufl., Stuttgart 1906, S. 426.

2

Joseph Ennemoser: Geschichte der Magie, Leipzig 1844, S. 528.

3

Joseph Ennemoser: Geschichte der Magie, Leipzig 1844, S. 529.

4

Menschenopfer durch Erhängen im Heiligen Hain nach Tacitus und anderen.