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auf seines Gottes Pfad, Der von Gott sich nur ihn s e l b e r als Geschenk

erbeten hat. Blickst du nur auf Gottes Gaben und nicht auf ihn selber hin,

Fesselt dich nicht seine Liebe, fesselt dich dein eigener Sinn, Öffnet sich dein

Mund zum Beten nur aus Gierde nach der Gab’, Nimmer strömt dann das

Geheimnis seiner Liebe dir herab“

1

.

Ähnlich bei Meister E c k e h a r t , ähnlich die meisten christlichen Mystiker.

Die heilige K a t h a r i n a v o n G e n u a z. B. ließ sich von Christus die Mah-

nung geben, als Grundlage ihres Gebetes die Worte des Vaterunser „Dein Wille

geschehe“ zu nehmen und daher um nichts für sich selbst zu bitten

2

.

Darum beten die Mystiker um die Vereinigung mit Gott: „Komm, höchstes

Licht, das stets neu entstanden meine Seele erfüllt, gib mir die Gnade, Dich zu

s c h a u e n , wie Du bist“, betet der indische Mystiker M â n i k k a - V â s a -

g a r. „Gib mir vor lauter Minne ein ewiges Genießen . . ., da Deine Ehre unsere

ewige Nahrung ist und Deine Gewalt unsere ewige Freude, da Dein Anblick

unsere ewige Speise ist, da alle Traurigkeit ein Ende hat und alle Freude ver-

sichert ist in dem Ursprunge des lebendigen Brunnen“, betet die deutsche Mysti-

kerin M a r g a r e t a E b n e r .

T h o m a s von Kempen: „Veni, redemptor bone, fac me participem aeternas

tuae gloriae. Tempus est, ut revertar at te .. .“

3

.

J e a n n e d ’ A r c betet um den Stand der Gnade: „Wenn ich nicht in der

Gnade bin, so bitte ich Gott, mich darein zu versetzen; wenn ich darin bin, mich

so zu erhalten. Denn ich wollte lieber sterben, als nicht in der Gnade Gottes zu

sein“

4

. Der F r a n k f u r t e r D e u t s c h h e r r des 15. Jahrhunderts betet in

der „deutschen Theologie“ um Aufgehen in Gott: „Daß wir uns selbst entwei-

chen und unserem eigenen Willen absterben, dazu helf’ uns der, der seinem

himmlischen Vater aufgegeben hat, Jesus Christus, unser lieber Herr . . .“ „Ich

wollte, ich wäre dem ewigen Gut, was die rechte Hand meinem Leibe ist.. .“

Die heilige T h e r e s i a betet um vollkommene Liebe: „ . . . es gibt nichts, nicht

Lohn, nicht Strafe, was mich zur Liebe zwingt, als Deine Liebe allein"

5

.

Eine Lehre vom Wesen und den Formen des Gebetes gab die heilige Ka-

t h a r i n a v o n S i e n a , welche Mehlis folgendermaßen zusammenfaßte: „Das

Mittel, die Trennung von Gott zu überwinden, ist die Kraft des Gebetes. Es gibt

drei Arten des Gebetes: das immerwährende, das gesprochene und das geistige

Gebet. In uns lebt eine Sehnsucht und ein heiliges Verlangen, das uns stets zu

Gott emporhebt, das all unser Tun und Handeln begleitet, sofern es dem Got-

tesgedanken geweiht ist. Dieses Verlangen unseres Wesens kann man als das

immerwährende Gebet bezeichnen. Das gesprochene Gebet, / das Vaterunser und

das ganze Offizium wird von Katharina nicht so wichtig genommen. Es ist nur

ein Übergang zum geistigen Gebet. Es hat nur den Zweck, die Seele zu sammeln

und das Herz in der Liebe zu Gott zu stärken . . . Wenn es aus tiefer Glaubens-

überzeugung hervorquillt, so wird sich Gott der Seele nähern, und wenn Gottes

Nähe dem Geiste fühlbar wird, so daß der Gedanke unmittelbar zu Gott sich

1

Bei Friedrich Heiler: Das Gebet, …..5. Aufl., München 1923, S.308.

2

Friedrich Heiler: Das Gebet,……….., S. 309.

3

Friedrich Heiler: Das Gebet,……., S. 296, 297 und 298.

4

Gebete großer Seelen, 3. Aufl., München 1924, S. 65.

5

Gebete großer Seelen,……, S. 115.