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Wie sich schon zeigte, kommt im Christentum die Gottverwandt-

schaft des Menschen durch die Begriffe „Gottmensch“, „Kinder Got-

tes“, „Geburt in der Seele“ in einer Weise zum Ausdruck, wie sie

keine andere Religion kennt. Gewiß ist der altindischen Mystik die

Gottverwandtschaft der menschlichen Seele an sich nicht unbekann-

ter als der christlichen („tat tvam / asi“) und die Verfahren zu ihrer

inneren Entfaltung sind sogar im Yoga ausgebildeter als irgendwo

sonst; aber das R e a l e u n d K o n k r e t e i m Verhältnis des Men-

schen zu Gott, welches in der Gottverwandtschaft beschlossen liegt,

finden wir auch in der indischen Mystik nicht so entwickelt wie im

Christentum. Man kann geradezu sagen, der Zweck der Lehre

Christi war, ein konkretes Verhältnis zwischen der menschlichen

Seele und Gott zu stiften, und zwar kraft ihrer Gotteskindschaft.

Alle christlichen Grundlehren und auch der gesamte Kultus zielen

auf die Gottverwandtschaft hin, das ganze Christentum beruht

darauf.

„Ihr seid Götter“, sagte Christus

1

. Wir sind Gottes Geschlechtes. „In ihm

leben, weben und sind wir“

2

.

Im Schöpfungswort Gottes „war das Leben und das Leben war das Licht der

Menschen“

3

. — „Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet,

die in diese Welt kommen"

4

. „Wie viele ihn (den Logos, das Schöpfungswort)

aber aufnahmen, denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden . . ,“

5

. Der Mensch

ist „Gottes Tempel“, in ihm wohnt der „Geist Gottes“

6

.

Die verschüttete Gottverwandtschaft ist, wie in jeder Mystik und

höheren Religiosität, so auch im Christentum an R e i n i g u n g

u n d W i e d e r g e b u r t geknüpft.

Von der Reinigung berichtet das Johannesevangelium im Sinnbild der Fuß-

waschung.

„Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes

nicht sehen“

7

, spricht Jesus zu Nikodemus. „Laß dich’s nicht wundern, daß ich

dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er

will, und du hörest sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt

und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geiste geboren ist“

8

. Der

Sturmwind ist das Sinnbild der gewaltigen, treibenden Kraft, der Spontaneität

des Geistes!

1

Johannes 10, 34.

5

Apostelgeschichte 17, 28.

3

Johannes 1, 4.

4

Johannes 1, 9.

5

Johannes 1, 12.

6

1. Korintherbrief 3, 16.

7

Johannes 3, 3.

8

Johannes 3, 7 f.