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Dieses Verhältnis zeigt sich ja auch in der Geschichte der Mystik

selbst. Denn bei aller Gleichheit der letzten Erlebnisse ist die begriff-

liche Ausdeutung und Auswertung keineswegs immer dieselbe. Den

Vorrang hat hierbei das Schauen. Das zerlegende Denken verwal-

tet nur den Schatz des Erlebten, Geschauten. Ohne ihn ist es leer,

substanzlos (daher die tote Gelehrsamkeit überall nichts ist als:

Mangel an intuitivem Grund, an Unmittelbarkeit).

Deshalb führt auch das mystische Erlebnis keineswegs zu S u b -

j e k t i v i s m u s und noch weniger zu N i h i l i s m u s , wie man

wohl unter anderem einwendet. Solche Verirrungen können sich

nur aus falschen Andeutungen, nicht aus dem Erlebnis selbst erge-

ben. Der Inhalt des Schauens, die Eingebung, ist stets ein O b j e k -

t i v e s , Wahres, Wirkliches, Unverbrüchliches.

B. Der G e g e n s a t z v o n S c h a u e n u n d H a n d e l n

ist dem soeben erörterten nahe verwandt und daher auch der daraus

genommene Einwand. Wenn, so sagt dieser, das mystische Schauen

eine Einkehr in das Innere ist und daher eine Abkehr von der äuße-

ren Welt und äußeren Tätigkeit, dann ist alle Mystik notwendig

eine Welt- und Lebensverneinung. Und das scheint ja auch die

Askese, wie sie sich besonders in gewissen Auswüchsen geschichtlich

zeigt, zu bestätigen.

Die Antwort auf diesen Einwand, den die Gesellschaftsphiloso-

phie und Sittenlehre erhebt, ist die gleiche wie auf den vorherigen

Einwand. Schauen und Handeln, innere Einkehr und äußere Tätig-

keit sind keine einander schlechthin ausschließenden Gegensätze,

vielmehr: beide bedingen einander. Es herrscht G e g e n s e i t i g -

k e i t v o n S c h a u e n u n d H a n d e l n ebenso wie von geisti-

gem Schauen und zergliederndem Erkennen. Auch hier gilt: wir

leben nicht im inneren Schauen. Unser irdisches Leben ist auf Tätig-

keit in der Natur unbedingt angewiesen, weil sich sonst unsere kör-

perlichen und geistigen Kräfte nicht entwickeln könnten. Wenn

man tiefer blickt, findet man denn auch, daß im inneren Erleben, im

geistigen Schauen selbst zwei Seiten sich zeigen: das Insichgekehrt-

sein, Versunkensein und das Hervortreten des Geschauten, das

Uberfließen nach außen hin: das innere Erlebnis setzt sich (durch

Reflexion und Wollen hindurch) fort und w i r d z u m H a n -

d e l n . Darum gibt es wie zweierlei / Denken so auch zweierlei Han-