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und Chemismus wiesen Spann auf die vorstofflichen Mächte hin.
Geist kann sich nicht verräumlichen, nicht Stoff werden, wohl aber
kann er sich Stoff dienstbar machen.
Die letzte Grundlage der Natur aber sah Spann in jenen Wesen-
heiten oder Mächten, „deren Eigentümlichkeit und Urtat es ist, sich
zu verräumlichen“ (Bd 15, 49).
Diese Mächte sind das Innere der Natur, „in ihrer Einheit nannte
sie die uralte Weisheit W e l t s e e 1 e oder W e l t g e i s t “ (Bd 15,
231).
Dieses Innere der Natur ist uns zwar nicht voll zugänglich, aber
auch nicht völlig verschlossen. In manchen unserer Erlebnisse, vor
allem in denen des Sehens und Hörens, deutet sich eine Verbindung
unseres Geistes mit diesem Inneren der Natur an.
Im Raum sah Spann die Grundgegebenheit der Natur. Er nannte
ihn „das tiefste Geheimnis der Natur“ (Bd 15, 47). Räumlichkeit
kennzeichnet alles Naturhafte, Zeitlichkeit aber hat Natur mit der
Welt des Geistes gemeinsam, Räumlichkeit kommt allein ihren Ge-
bilden zu.
Verräumlichung ist aber nicht bloße Ausdehnung, sondern auch
Formgebung, G e s t a l t u n g . Gestaltung ist ganzheitliche Synthese
von Gliedern und deren Eigenschaften. Sie ist Mittel des Ausdrucks
und des Sinnes und schafft oft Gebilde von wesenhafter Schönheit.
In seiner Kategorienlehre zeigte Spann den ganzheitlichen Bau der
Gesamtwirklichkeit auf. In ihr gliedern sich ständig Ganzheiten aus
und wirken in ihren Gliedern. Diese Ganzheiten sind dauernd in
Umgliederung begriffen, nehmen Glieder zurück und gliedern neue aus.
Umgliederung bedingt Zeit. Zeit ist wie Umgliederung eine Konse-
quenz der U n v o l l k o m m e n h e i t der Welt. In der „Kate-
gorienlehre“ stellte Spann fest: „Es ist eine Grundtatsache aller Er-
fahrung, daß die Ganzheit ihr reines Wesen nie vollkommen ver-
wirklicht, sondern stets F e h l a u s g l i e d e r u n g e n zeigt. Kein
Lebewesen ist völlig gesund, kein Denkgebäude schlechthin ohne
Denkfehler, kein Staat ohne alle Mißstände und so fort“ (Bd 9, 101).
Die Umgliederungen sind das Bestimmende der Zeitlichkeit. Es
gibt daher keine leere Zeit, sie steht immer in Beziehung zu be-
stimmten Umgliederungen. Aus dieser Beziehung ergab sich für Spann
die Relativität der Zeit.