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Nur die Welt des Unbelebt-Stofflichen ist Spann Natur und Gegen-
stand der Naturphilosophie. Leben ist ihm Verbindung von Geist und
Stoff, Träger des Lebens ist ihm „begeisterter Stoff“; darum gehört
für ihn „die Welt des Lebens, des Organischen, dem Geiste an; die
Welt des Anorganischen jenen Wesenheiten, die sich verräumlichen.
Leben entsteht überall, wo sich der Geist mit den vorräumlichen
Wurzeln des Stoffes verbindet, im menschlichen Organismus, im
tierischen Organismus, im pflanzlichen Organismus“ (Bd 15, 221).
In ihnen steht der Geist mit den vorräumlichen Wurzeln des Stoffes
in einer Verbindung, die Spann die G e z w e i u n g h ö h e r e r
O r d n u n g nannte. Den in dieser Gezweiung mit dem Leib stehen-
den Geist nannte Spann S e e l e . In dieser Verbindung ist der Leib
als G a n z e s das Organ „der Seele“ (Bd 10, 261 f.). „Organ“
heißt „Verbindungsstelle des Geistes mit der Stofflichkeit, das
Gesamt-Sinnesorgan des Geistes. Daher hat die Seele keinen örtlichen
Sitz, sondern ist in jedem Gliede ganz“ (Bd 10, 262).
In der Gezweiung höherer Ordnung gründen vegetatives und sensi-
tatives Leben, inneres und äußeres Sinnerleben. In dieser Verbindung
ist der Leib mehr als totes Mittel, auch keine Fessel, kein Gefängnis,
als das ihn Platon angesehen hat, sondern Grundlage reicher schöpfe-
rischer Entfaltung.
Freilich birgt diese Verbindung auch viele Gefahren, viel Dunkles,
ja Düsteres in sich; denn nur zu oft erreicht der Geist in dieser Ver-
bindung seine Ziele nur sehr unvollkommen, ja verfehlt sie manchmal
völlig und kommt es dann zu schrecklichen Fehlausgliederungen.
Spann hat diesen Fragenbereich, den dunkelsten jeder Theodizee,
im „Schöpfungsgang des Geistes“ und in „Erkenne Dich selbst“,
seiner Geistesphilosophie und philosophischen Anthropologie, nur
andeutungsweise erörtert.
In seinem Nachlaß aber fand sich eine Schrift von siebzig Seiten,
wahrscheinlich gedacht als erster Abschnitt einer Studie „Über die
Einteilung der Krankheiten“, in der er wichtige Einzelprobleme
dieses Fragenbereiches behandelt.
In ihr führt er das häufige Scheitern des Geistes in der Gezweiung
höherer Ordnung einerseits auf die schwer zu überwindende G e i s t -
f e r n e des Stofflichen, andererseits auf die zu e n g e Möglichkeit
der Wirkungen des Geistes im stofflichen Ordnungsbereich zurück.