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der Künstler die Natur ,nachahmen' (worin nach Aristoteles vornehm-
lich die Kunst bestehen soll), nicht aber geradewegs. Denn auch der
N a t u r g e g e n s t a n d muß im K ü n s t l e r s e l b s t z u r
E i n g e b u n g geworden sein, bevor er das Ideenhafte in ihm er-
leben und es in seiner eigenen Gestaltung weitergeben kann. Nicht
die Natur schafft der Künstler nach, sondern seine eigene Vision, die
Idee hinter der Natur. In dieser allein auch läutert und reinigt und
erhöht er die Natur“ (Bd 10, 447).
Die Welt der Ideen ist Spann eine „schaffensmächtige, aber den-
noch rein geistige Welt, . . . ein geistiger Gliederbau, . . .
ljǗıNjǎǐ
njǎdžljǗǐ“
(Bd 10, 485). Dieser Kosmos besteht für sich, kann nicht
u n m i t t e l b a r auf die Natur einwirken, wohl aber mit ihren
vorstofflichen Wurzeln in Gezweiung treten. Die Natur ist selb-
und eigenständig, hat ihre eigenen Wurzeln, Ordnungen und Formen.
Das Reich der Ideen „wohnt . . . dieser Natur ein — . . . und tritt
in den organischen Leibern von Pflanze, Tier und Mensch, ferner
in den geistig-sittlichen Gestaltungen der Gesellschaft und Geschichte
in Erscheinung“ (Bd 10, 401).
„Es gibt nur eine Welt“ (Bd 10, 472), diese aber ist zugleich stoff-
lich ausgegliedert und ideenhaft rückverbunden, in ihr ist das Reich
der Ideen keine Verdoppelung, sondern ausgliedernde Ganzheit.
Die ganzheitliche Ideenlehre kennt nur die e i n e , von Gott ge-
schaffene Welt, die sich in die b e i d e n gleich-ursprünglichen
Reiche des Geistes und der Natur gliedert. Der Mensch aber gehört
beiden an, ist B i n d e glied zwischen beiden, ist Geist- und Natur-
wesen. Als Geistwesen steht er mit dem Reich der Ideen in innerer
Verbindung und besitzt dadurch ein Wissen von den ausgliedernden
Ideen.
Da Natur auch Innerlichkeit besitzt, bietet sie dem Geist die
Möglichkeit des sinnenhaften Ausdrucks seiner Inhalte in ihren Ge-
stalten. Spann wußte um den Ursprung der Natur aus Gott, aber auch
um ihre Unvollkommenheit und Gebrochenheit. Diese weist ihn auf
Fehlausgliederung, ja Zerrüttung im Reich der sie gestaltenden, vor-
stofflichen Mächte hin.
Die durch sie bedingten Eigenschaften der Natur gliedern sich ihm
in drei Gruppen:
(1) die zeitbezüglichen, wie Rhythmus und Ton,