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den E i n w i r k u n g d e s W e t t b e w e r b s m ö g l i c h . Damit ist Verkehr
deutlich nur als Ausgliederungsweise, Darstellungsweise von Ganzheit denkbar; als
n a c h t r ä g l i c h e Verbindung von vorher Fertigem, Selbständigem aber ein
Unbegriff
1
.
Aus dieser bloß beziehungsweisen Einheit ergäbe sich aber noch
keine geschichtlich zureichende Überwindung des Chaos, des
isolierten Nebeneinanders der Tausch- und Arbeitsbeziehungen.
Durch sie würde Wirtschaft aus dem isolierten Nebeneinander (das
übrigens
nur
hypothetisch
gedacht
wird,
grundsätzlich
unverwirklichbar ist, weil es wirtschaftliche Autarkie Einzelner
unmöglich geben kann) nur zum netzartig verbundenen
Nebeneinander, zur Summation angeglichener Größen, zu einem
a m o r p h e n Fortgang des Wirt- schaftens. Der geographische
Umfang
einer
verkehrswirtschaftlichen
Verbindung,
die
R e i c h w e i t e
d e r
Z u s a m m e n f a s s u n g
v o n
e i n z e l n e n W i r t s c h a f t e n z u m „ V e r k e h r “ , wäre
hauptsächlich vom Verhältnis der Fracht- und Handelskosten zum
Preise abhängig, was bei verschiedenen Betrieben ganz verschiedene
Verkehrsbeziehungen ergäbe. Eine auch nur einigermaßen in sich
abgegrenzte wirtschaftliche Verkehrsgesellschaft kann durch die im
freien Verkehr der Wirtschaften gebildete vereinheitlichende Kraft des
Wettbewerbes nicht erzielt werden. / Die Verkehrswirtschaft bildet für
jedes einzelne Erzeugnis ein anderes Verkehrsgebiet, eine andere
Verkehrsgesellschaft. Sie ist ungestalt wie ein Polyp, sie ist amorph,
nicht kristallisch oder organisch gestaltet; sie erlangt eine
Geschlossenheit erst, wenn a l l e unmittelbar in irgendeiner Weise in
Verbindung stehendenWirtschaften ins Auge gefaßt werden: Das wäre
aber der ganze Weltverkehr. Für die Volkswirtschaft im begrifflichen
Sinne ist daher im Begriffe der reinen Verkehrswirtschaft kein Raum.
Von folgestrengen Verfassern wurde die Verkehrswirtschaft (siehe Petritsch
2
aber
auch Menger, namentlich im Methodenbuch, heute noch Cassel in der Preistheorie) als
die einzige oder jedenfalls wesentliche und wesenhafte Vereinheit- Iichungs- und
Wirklichkeitsform der gesellschaftlichen Wirtschaft angesehen, und dieser Gedanke
liegt ja schon von Smith her der Freihandelslehre zugrunde. Es ist aber nutzlos, die
Tatsache zu leugnen, daß es eine Volkswirtschaft gibt, und sie aus der Theorie
auszuschalten. Die allgemeine Preistheorie mag mit dem Begriff der Markt- oder
Verkehrsgesellschaft (sofern es sich um eine individua-
1
Vgl. oben S. 182 ff.
2
Leo Petritsch: Die Theorie von der sogenannten günstigen und
ungünstigen Handelsbilanz, Graz 1902.