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merken so sehr du kannst. Wer nämlich bis hierher in der Liebe erzogen ist, das

mancherlei Schöne in solcher Ordnung und richtig schauend, der wird, indem er

nun der Vollendung in der Liebeskunst entgegengeht, plötzlich ein von Natur

wunderbar Schönes erblicken, nämlich jenes selbst, o Sokrates, um deswillen

er alle bisherigen Anstrengungen gemacht hat, welches zuerst immer ist und we-

der entsteht noch vergeht, weder wächst noch schwindet, ferner auch nicht etwa

nur insofern schön, insofern aber häßlich ist, noch auch jetzt schön und dann

nicht, noch in Vergleich hiermit schön, damit aber häßlich, noch auch hier schön,

dort aber häßlich, als ob es nur für einige schön, für andere aber häßlich wäre.

Noch auch wird ihm dieses Schöne unter einer Gestalt erscheinen wie ein Gesicht

oder Hände oder sonst etwas, was der Leib an sich hat, noch wie eine Rede

oder eine Erkenntnis, noch irgendwo an einem andern seiend, weder an einem

einzelnen Lebenden, noch an der Erde, noch am Himmel; s o n d e r n a n u n d

f ü r u n d i n s i c h s e l b s t e w i g ü b e r a l l d a s s e l b e s e i e n d , a l -

l e s a n d e r e S c h ö n e a b e r a n j e n e m a u f i r g e n d e i n e s o l c h e

W e i s e A n t e i l h a b e n d , d a ß , w e n n a u c h d a s a n d e r e e n t -

s t e h t u n d v e r g e h t , j e n e s d o c h n i e i r g e n d e i n e n G e w i n n

o d e r S c h a d e n d a - / v o n h a t , n o c h i h m s o n s t e t w a s b e -

g e g n e t . Wenn also jemand, vermittels der echten Knabenliebe von dort an

a u f g e s t i e g e n , jenes Schöne anfängt zu erblicken, der kann beinahe zur

Vollendung gelangen. Denn dies ist die rechte Art, sich auf die Liebe zu legen. ..,

daß man, von diesem einzelnen Schönen beginnend, jenes einen Schönen wegen

immer höher hinaufsteige, gleichsam stufenweise von einem zu zweien und von

zweien zu allen schönen Gestalten und von den schönen Gestalten zu den schönen

Sitten und Handlungsweisen und von den schönen Sitten zu den schönen Kennt-

nissen, bis man von den Kenntnissen endlich zu jener Kenntnis gelangt, welche

von nichts anderem als eben von jenem Schönen selbst die Kenntnis ist und man

also zuletzt jenes selbst, was schön ist, erkenne.“

1

Diese Lehre von der Liebe endet zuletzt in Abscheidung von den

Dingen, und sie zeigt so deutlich wie man nur wünschen kann, wie

die universalistische Verbindung mit der Welt und den Menschen

je tiefer um so mehr zugleich von den Dingen fort zu abgeschiede-

nem Leben führt.

Der Grundgedanke dieser Lehre wie jeder ähnlichen ist: daß den

Dingen wie den Menschen allein insofern Bedeutung für uns zu-

kommt, als sie uns nur A u s d r u c k , n u r G e f ä ß werden für

die höhere Wesenheit, die in ihnen wohnt, für den göttlichen Grund

in ihnen. Es ist ein A u f s t e i g e n v o n d e n D i n g e n z u

i h r e m G r u n d , was Platon hier als wahre Liebeskunst preist.

In solchem Aufstiege aber beginnt gerade das Dinglich-Einzelne an

ihnen zu entschwinden! Dieser Aufstieg ist zugleich ein H i n t e r -

s i c h l a s s e n d e r D i n g e . Nicht ist um seiner selbst willen zu

1

Platons Werke, übersetzt von Friedrich Schleiermacher, Bd 2/2: Das

Gastmahl, 3. Aufl., Berlin 1856, S. 210 f.