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361

den Seelen ist“

1

. Mit Renaissance und Aufklärung bricht wieder eine Zeit herein,

welche die Schönheit sensualistisch und empiristisch erklären will

2

. Erst Schelling

hat in seinen „Vorlesungen über die Philosophie der Kunst“ (1802) wieder auf

die alten Vorstellungen zurückgegriffen, wie die ganze Romantik und Hegel mit

und nach ihm. „Die Kunst stellt nicht die wirklichen Dinge, sondern ihre Ur-

bilder dar.“

3

Die Urbilder „sind es, die in der Kunst selbst objektiviert werden

und in der reflektierten Welt selbst die Intellektualwelt darstellen“

4

. „Die Schön-

heit ist weder das bloß Allgemeine oder Ideale [dies wäre / Wahrheit] noch

das bloß Reale [dieses ist im Handeln], also ist es nur die vollkommene Durch-

dringung oder Ineinsbildung beider. Schönheit ist da gesetzt, wo das Besondere

(Reale) seinem Begriffe so angemessen ist, daß dieser selbst als Unendliches ein-

tritt ins Endliche und in concreto angeschaut wird.“

5

Genau so faßt Hegel das

Schöne als das Scheinen der Idee durch ein sinnliches Medium. Genau so Baader

6

.

Diese Auffassung der Kunst ist es auch, die einzig und allein bei

den großen Künstlern aller Zeiten und Völker angetroffen wird —

sogenannte Naturalisten, Realisten, Impressionisten und andere

Wirklichkeitsjäger jeder Art in der Kunst geben sich damit selbst

das Zeugnis falscher Künstlerschaft und beweisen, daß sie vor der

Geschichte nicht bestehen können. Am stärksten hat wohl die Ro-

m a n t i k zur metaphysischen Auffassung hingedrängt.

Fast mit gleichen Worten wie Hegel sagt Eichendorff in seiner „Geschichte

der poetischen Literatur“: „Poesie ist... die... sinnliche Darstellung des

Ewigen... welches auch jederzeit das Schöne ist, das verhüllt das Irdische durch-

schimmert.“

7

— Ebenso schreibt der Spätromantiker Uhland: „Der Mensch sucht

in der Natur nicht bloß Gleichnis, Sinnbild, Farbenschmuck, sondern was all die-

sem erst die poetische Weihe gibt, das tiefere Einverständnis, vermöge dessen

sie für jede Regung seines Inneren einen Spiegel, eine antwortende Stimme h a t . . .

Sage man immerhin, der Mensch verlege nur seine Stimmung in die fühllose

Natur, er k a n n n i c h t s i n d i e N a t u r ü b e r t r a g e n , w e n n s i e

n i c h t v o n i h r e r S e i t e a u f f o r d e r n d , s e l b s t t ä t i g a n r e g e n d

1

Augustinus: Confessionum libri XIII, 10, 34, 53, viele Übersetzungen, zum

Beispiel: Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus, Buch 1—10, 11. und 12. Aufl.,

Freiburg i. B. 1918.

2

Siehe zum Beispiel Etienne Bonnot de Condillac und die oben genannten

heutigen Richtungen.

3

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Sämtliche Werke, Abteilung I, Bd 5:

Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, Stuttgart 1839, S. 369.

4

Schelling: Sämtliche Werke I, Bd 5, S. 369.

5

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Sämtliche Werke, Abteilung I, Bd 5:

Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, Stuttgart 1859, S. 369.

6

Franz von Baader: Schriften zur Gesellschaftsphilosophie, herausgegeben

von Johannes Sauter, Jena 1925, S. 739 (= Die Herdflamme, Bd 14).

7

Joseph von Eichendorff: Geschichte der poetischen Literatur, Paderborn

1857, S. 20.