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(3)

endlich wird das Schöne psychologisch-biologisch und gesell-

schaftlich zugleich erklärt, so, wenn als Zweck der Kunst betrachtet

wurde, die menschlichen ästhetischen Bedürfnisse zu befriedigen;

ferner wenn außer den genannten Faktoren die u n m i t t e l b a r e

Einwirkung der gesellschaftlichen Umwelt in den Vordergrund ge-

stellt wird („Milieutheorie“), so von Karl Groos

1

, Ernst Grosse

2

,

Hippolyte Taine

3

, Gabriel Tarde, Jean Marie Guyau

4

, Wilhelm

Wundt (die Kunst dient ursprünglich dem Zauber und Schmuck)

5

und anderen

6

.

Auch die empiristische Erklärung der Kunst geht wie jene des

Wissens von den sinnlichen Eindrücken (Reizen, Daten) aus. Sie

sieht darum im Kunstwerke folgerichtig nur die Spiegelung biolo-

gischer, sensueller, seelischer, gesellschaftlicher Vorgänge. Sie kann

aber vom Psychologischen niemals zum Eigentümlichen der Kunst

selbst kommen und ebenso wenig vom Gesellschaftlichen schlecht-

hin zum arteigenen Objektivationssystem „Kunst“ — denn wie

sollte sich der künstlerische „Nutzen“ etwa vom wirtschaftlichen

unterscheiden, warum überhaupt „Kunst“ als arteigene Gestaltung

von Gesellschaft, wenn sie nur U t i l i t ä t s f o r m ist? Dieser

Uferlosigkeit gegenüber muß / genau wie beim Logischen die feste

Eigengesetzlichkeit, die innere Ursprünglichkeit und Apriorität der

Kunst betont werden.

Eine weitere Widerlegung der heute absterbenden empiristischen Lehre ist

angesichts der früheren ausführlichen Behandlung des empiristischen Grund-

gedankens wohl erläßlich

7

.

1

Karl Groos: Einleitung in die Ästhetik, Gießen 1892.

2

Emst Grosse: Die Anfänge der Kunst, Freiburg i. B. 1894.

3

Hippolyte Taine: Philosophie de l’art, Paris 1865 [3. ed., Paris 1881],

deutscher Titel: Philosophie der Kunst, aus dem Französischen übertragen von

Ernst Hardt, 2 Bde, Leipzig 1902—03; vgl. auch unten S. 371 f.

4

Jean Marie Guyau: L’art au point de vue sociologique, Paris 1888 („Le but

le plus haut de l’art est de produire une émotion esthétique d’un caractère social“,

nämlich Solidarität und Sympathie, p. 21), deutsch von Paul Prina und Guido

Bagier: Die Kunst als soziologisches Phänomen, Leipzig 1911 (= Philosophisch-

soziologische Bücherei, Bd 24).

5

Wilhelm Max Wundt: Elemente der Völkerpsychologie, Grundlinien einer

psychologischen Entwicklungsgeschichte der Menschheit, 2. Aufl., Leipzig 1913,

S. 94 ff. und 253 ff.

6

Vgl. etwa den Überblick bei Joseph Fröbes: Lehrbuch der experimentellen

Psychologie, Bd 2, 2. Aufl., Freiburg i. B. 1922, S. 328 ff.

7

Siehe oben S. 334 ff.