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Die i n d i v i d u a l i s t i s c h e G e s e l l s c h a f t s l e h r e d e r K u n s t ist

mit der empiristischen Auffassung grundsätzlich schon vorgezeichnet; ihr Ab-

sehen geht überall darauf,

(1)

aus dem „Reflex“ des eigenen Ich die Kunst zu erklären;

(2)

da die Reize der „Reflexe“ schließlich zur Umwelt führen, aus der Um-

welt und sie

(3)

dann überall utilitarisch zu erklären. Wir werden unten ihren Behaup-

tungen im besonderen entgegenzutreten haben.

B. Die n i c h t - e m p i r i s t i s c h e K u n s t e r k l ä r u n g :

F o r m a l i s t i s c h e Ä s t h e t i k

Aus der psychologisch-utilitarischen wie aller andern empiristi-

schen Kunsterklärung erlöste im 18. Jahrhundert zum ersten Male

Kant die Menschheit. Seine Lehre machte daher damals (unter ande-

ren auf Schiller) den größten Eindruck. Der Kantische Begriff des

Schönen sagt: „Schön ist das, was in der bloßen Vorstellung (das

heißt ohne objektive Realität), ohne Interesse an seinem Dasein (das

heißt ohne Begierde des Willens), ohne Begriff (das heißt unmittel-

bar), allgemein und notwendig (also apriori) gefällt“

1

oder kurz:

schön ist, was uninteressiert mit Notwendigkeit gefällt. Darin lie-

gen vier Bestimmungsstücke:

(1)

„in der bloßen Vorstellung“, das will sagen, ohne dingliche

Wirklichkeit, z. B. sind im Schauspiel die Schwerter aus Pappe;

(2)

„uninteressiert“, folgt aus dem eben Gesagten. Die gemalte

Landschaft gefällt, obwohl man darin nicht Spazierengehen kann.

Mit diesem Merkmal wird die unheilvolle Nützlichkeitsauffassung

wie jede Beziehung auf „Vergnügen“ und sinnlich „Angenehmes“

vernichtet;

(3)

„ohne Begriff“, das heißt nicht durch eine Erkenntnis v e r -

m i t t e l t , sondern der Gegenstand selbst wird geschaut. Man

braucht nicht durch eine logische Ableitung begrifflich zu bestim-

men, „dies ist eine Tropenlandschaft“, „das ist ein Held“ (des Schau-

spiels), um Gefallen daran zu finden. Die Schönheit muß im Inne-

werden des Gegenstandes selbst sich kund tun;

(4)

„notwendig“, das heißt, das Schöne ist verbindlich, ähnlich

wie die Wahrheit. Über die Schönheit kann man ebensowenig ab-

1

Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft, Berlin 1790, S. 17, 114 f., 150,

180 und öfter.