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welches geworben wurde, erst klarzumachen oder aufzudrängen. Da

bei der Wertentlehnung die Hochschätzung des Wertes schon von

vornherein gegeben ist, kommt es bei ihr gar nicht auf Überzeugt-

und Belehrtwerden an. Hier hat die Nachahmung allein das Wesent-

liche zu besorgen. Je nachdem kritiklose oder besonnenere Nach-

ahmung herrscht, je nachdem der G r a d der Wertentlehnung klei-

ner oder größer ist, tritt sie denn auch in verschiedenen äußeren

Formen auf: geschicktes Maskieren der Nachahmung, Gewandtheit

im Vorspiegeln ist die eine Form, welche dem Werte innerlich schon

nahekommen muß, weil sie ihn doch irgendwie begreift; Oberfläch-

lichkeit, Aufgeblasenheit des Schwätzers oder ganz plumpe Nach-

äffung des Emporkömmlings, grobes Pfuschertum in Kunst, Wissen

und Lebensstil sind die jeweils tieferen Formen.

Eine unmittelbare V e r a n s t a l t u n g hat die Wertentleh-

nung nicht, da sie von dem sich Bewerbenden persönlich ausgeht.

Dennoch sind Modezeitschriften und Schaustellungen von Neuerun-

gen aller Art wie überhaupt alle Veranstaltungen der Werbung,

doch zugleich Veranstaltungen der Wertentlehnung, indem sie diese

herausfordern.

Die L e i s t u n g der Wertentlehnung ist ähnlich jener der

Werbung. Sie geht auf die Vereinheitlichung der Gesellschaft. Diese

erreicht sie allerdings grundsätzlich nicht als echte innere An-

g l e i c h u n g , vielmehr nur als äußerliche, vorgespiegelte. Daher

kann die zweite Hauptleistung der Werbung, Höherbildung der

betreffenden Personen und Gruppen, nicht erreicht werden. Es ist

kein wahrer Gewinn, das vorzuspiegeln, was man nicht besitzt. —

Ferner bedeutet die Wertentlehnung freiwillige Gefolgschaft des

Entlehnenden für jenen Trä- / ger echten Wertes, von dem man

entlehnt. Diese freiwillige Gefolgschaft ist die eigentliche, unmit-

telbare und wichtigste Leistung der Wertentlehnung; auf ihr beruht

erst ihre vereinheitlichende Wirkung, die sich daher mehr im Be-

reiche des Handelns als der Empfindung abspielt. Ä u ß e r l i c h e

G e f o l g s c h a f t d e r W e r t l o s e n f ü r d i e W e r t v o l -

l e n — das ist kurz gesagt die Hauptleistung der Wertentlehnung.

Das früher ausführlich behandelte Beispiel der Mode verdeutlicht

dies drastisch. Ohne Wertentlehnung gäbe es andererseits keine in

gleich einheitlicher Form geltenden sittlichen und künstlerischen

Normen. Denn nur Einzelne finden dies alles in ihrer eigenen Brust;