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[533/534]

ten Organismusbegriffes, oder endlich als seelische Wechselwirkung

nach den psychologischen Schulen

1

.

Aus diesem formalen Gesellschaftsbegriffe folgen eine allgemeine

Gesellschaftslehre und mehrere besondere Gesellschaftswissenschaf-

ten (Volkswirtschaftslehre und so fort), welche nach herrschender

Meinung rein induktiv sein sollen, denn die Wechselwirkung ist in

ihren Ergebnissen / nur durch ansammelnde Beobachtungen, In-

duktion, zu erkennen und zu erforschen; und welche ferner sämt-

lich rein ursächlich sein sollen, wie aus dem Begriffe der „Wechsel-

wirkung“ folgt.

Dieser individualistische Standpunkt wurde von uns an anderer

Stelle geprüft, verworfen und eingehend widerlegt. Er kommt daher

für uns weiter nicht mehr in Betracht. Die wichtigsten Beweis-

gründe (zum Beispiel die nicht-ursächliche Natur der gesellschafts-

wissenschaftlichen Gesetze) werden aber im Laufe unserer Unter-

suchung noch zu Worte kommen

2

.

Zweierlei wäre erläuternd zum individualistischen Gesellschaftsbegriffe zu be-

merken.

(1)

Auch der individualistische, auf Wechselwirkung fußende Gesellschafts-

begriff gelangt zur Gesellschaft als einem wenn auch nur scheinbaren, unechten,

„G a n z e n“. Aber dieses Ganze ist nur ein unzureichender Ersatz, indessen den-

noch ein Beweis dafür, daß das Ganze sich aufdrängt, daß man instinktiv danach

sucht, auch bei mangelnder Tiefe der Erkenntnis. Jenes „Ganze“ der wechsel-

wirkenden Einzelnen ist nur ein Scheinganzes, nur eine Summierung, Aneinander-

reihung, Häufung, ein Aggregat, bei welchem die Teile das Primäre sind (denn

sie wirken von sich aus, sind schon vorher da!); im universalistischen Sinne da-

gegen darf Ganzes nur heißen dasjenige, bei welchem die Ganzheit selbst das

Primäre ist und alle Bestandteile den Charakter von G l i e d e r n haben, das

heißt aber: nicht von sich aus bestehen noch wirken, daher auch die Zusammen-

zählung, Häufung, Summierung nie das Ganze bilden könnten. Universalistisch

gesehen bildet das echte Ganze die Teile, sofern sie G l i e d e r sind; individua-

listisch gesehen bilden die Teile das (Schein-) Ganze, ist das Scheinganze nur

Summe der Teile.

(2)

Die immer wieder zu hörende Entgegnung, daß der Gegensatz Individua-

lismus — Universalismus kein allgemein gültiger sei, daß er die Forschung nur

hemme und lähme, muß als vollkommen verfehlt, als nicht zu Ende gedacht

bezeichnet werden. Denn alle Vertreter dieses Einwandes müßten erst beweisen,

daß sie i m s t a n d e

s i n d ,

G e s e l l s c h a f t s l e h r e

o h n e

e i n e

g r u n d s ä t z l i c h e

i n d i v i d u a l i s t i s c h e

o d e r

u n i v e r s a l i s t i -

s c h e S t e l l u n g n a h m e ü b e r h a u p t z u b e t r e i b e n . Gerade dieses

verneine ich. Wer den B e g r i f f d e r W e c h s e l w i r k u n g z u g r u n d e

l e g t , i s t b e r e i t s a b s o l u t e r I n d i v i d u a l i s t — dadurch näm-

1

Siehe oben S. 21 ff., 48 f. und 50 ff.

2

Siehe oben S. 217 ff. und 649 ff.