Z w e i t e r A b s c h n i t t
Das Gebäude der Gesellschaftswissenschaften
Der sachliche oder materiale Gesellschaftsbegriff lehrt, daß nicht
jedes Teilganze der Gesellschaft gleichen inneren Aufbau und Cha-
rakter hat. Daraus ergibt sich die wichtige Folgerung:
(1)
daß nicht jedes Teilganze auch Gegenstand einer eigenen selb-
ständigen gesellschaftlichen Einzelwissenschaft sein und
(2)
daß auch nicht jede der bestehenden gesellschaftlichen Einzel-
wissenschaften das gleiche methodische Gefüge haben könne, zum
Beispiel kann nicht jede gesellschaftliche Einzelwissenschaft den
gleichen theoretischen Charakter haben wie die Volkswirtschafts-
lehre.
Die Volkswirtschaftslehre tritt nämlich aus den Gesellschafts-
wissenschaften so heraus wie das Handeln aus dem geistigen Seins-
ganzen. Gesellschaftswissenschaft ohne Volkswirtschaftslehre ent-
spräche einer nicht handelnden Gesellschaft. Demgemäß ist kein ein-
faches Netz, sondern ein Stockwerkbau von Gesellschaftswissen-
schaften zu erwarten. Von diesen selbst sind ferner ihre Hilfswissen-
schaften zu unterscheiden. Wir trennen die Behandlung der Gesell-
schaftswissenschaften und ihrer Hilfswissenschaften voneinander.
I. Die Gesellschaftswissenschaften
A .
Die a l l g e m e i n e G e s e l l s c h a f t s l e h r e
Diese bildet eine eigene Wissenschaft mit zweifachem Inhalte:
(1) In ihrer Eigenschaft als Theorie des formalen Gesellschafts-
begriffes, in welchem sie insbesondere über die individualistische
oder universalistische Auffassung der Gesellschaft entscheidet und
die Baugesetze oder obersten politischen Grundsätze (Freiheit,
Gleichheit, / Gerechtigkeit und so weiter) zergliedernd erkennt