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sicht und jener Trost, den das Vertrauen auf den Stern der Ge-

schichte verleiht.“

1

Nun: Das Ungestüm der Gegner hat Spann und seinen Kreis ge-

troffen. Heute, nachdem es verrauscht ist und wir in eine neuzeit-

liche Epoche unseres gesellschaftlichen Lebens und der Gesell-

schaftswissenschaften eingetreten sind, scheint die Frage angebracht,

ob die „Gesellschaftslehre“, die das erste Mal vor dem ersten Welt-

krieg und das dritte Mal in der Zeit der großen Weltwirtschaftskrise

erschien, überhaupt noch zeitgemäß sei.

Können die Spannschen Behauptungen von der „notwendigen

Erfolglosigkeit jeder empiristischen Gesellschaftslehre“ und von der

„Notwendigkeit einer nichtempiristischen Begründung der Ge-

sellschaftslehre“

2

nach dem seither vergangenen halben Jahrhun-

dert der Tatsachen- und Wissenschaftsgeschichte, können sie ange-

sichts „der heute fast allein herrschenden empiristisch-realistischen

Behandlung der einzelnen Gebiete der Gesellschaftslehre“

3

noch

aufrechterhalten werden?

Viele der heute herrschenden Richtungen und der heute beson-

ders modernen Verfasser werden diese Fragen rückhaltlos vernei-

nen. Othmar Spann hätte über das hinaus, was er in den drei Auf-

lagen seiner „Gesellschaftslehre“ und in seinen übrigen Werken dazu

zu sagen hatte, nicht mit ihnen rechten wollen. So ist auch der Be-

treuer der nun im Rahmen der Othmar Spann Gesamtausgabe er-

scheinenden vierten Auflage der „Gesellschaftslehre“ dieser Auf-

gabe überhoben.

Ein einziger Hinweis sei gestattet: Die alten Grundfragen der

Gesellschaftslehre sind auch in der heutigen „Explosion der Sozial-

wissenschaften“

4

mit drängender, allzu dringlicher „Jugendlich-

keit“ behaftet: Gemeinschaft und Gesellschaft; Kultur und Zivili-

sation (besonders Technik); empirische oder transzendentale Aus-

richtung der Gesellschaftslehre (mit Einschluß der Gegenüberstel-

1

Siehe oben S. 4.

2

Siehe oben S. 67 ff. und 72 ff.

3

Vorwort zur ersten Auflage, siehe oben S. 7 f.

4

In der Bundesrepublik Deutschland soll es 450 Lehrstühle der Sozialwis-

senschaften geben, „die gleiche Zahl wie in den für eine humanistische Bildungs-

tradition so zentralen Sprach- und Literaturwissenschaften und schon einhundert

mehr als in den Rechtswissenschaften“. (Knut Borchardt: Wie gefährlich ist die

Explosion der Sozialwissenschaften?, in: Die Welt, Nr. 246 vom 21. X., Ham-

burg 1967, S. III.)