Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3064 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3064 / 9133 Next Page
Page Background

34

[23/24]

entwickelten, daß die wirtschaftlichen Vorgänge aus den gesellschaft-

lich-sittlichen Zusammenhängen begriffen werden müssen.

Robert von Mohl war es, der dafür den Namen „ G e s e l l -

s c h a f t s z w e c k m ä ß i g k e i t s l e h r e “

oder

„ S o z i a l e

P o l i t i k “ erfand. Lorenz von S t e i n / und er hatten im Geiste

Hegels den Begriff der Gesellschaft gefaßt und die Ergänzung der

reinen Wirtschaftstheorie durch eine „Gesellschaftslehre“ (die aber

nicht mit der Soziologie zusammenfällt) und eine „Gesellschafts-

zweckmäßigkeitslehre“ gefordert. Indem auf solche Weise — im

übrigen ohne jede tiefere theoretische Überlegung — eine Beein-

flussung der „gesellschaftlichen Beziehungen“ der Wirtschafter durch

den Staat verlangt wurde, und zwar u n t e r g r u n d s ä t z -

l i c h e r B e i b e h a l t u n g d e r i n d i v i d u a l i s t i s c h e n

W i r t s c h a f t s o r d n u n g und sogar der individualistischen

Wirtschaftsauffassung (was aber im Dunkeln blieb), konnte aller-

dings nur eine schwache Verbesserung der Schäden dieser Ordnung,

eine Verbesserung in besonderen Fällen, erzielt werden. Von An-

beginn war daher die sozialreformatorische Lehre wie Tat darauf

beschränkt:

Erstens nur von Fall zu Fall Einzelverbesserungen vorzunehmen,

nur da und dort Einzelbindungen in die Wirtschaft einzubauen. Da

aber diese Bindungen in Ermangelung jeglicher Wirtschaftsorgani-

sation (die Wirtschaft sollte ja nur aus freien Einzelwirtschaftern

bestehen) im Wesentlichen nur von der Staatsverwaltung (später

auch der Gemeinden der Großstädte) in die Wirtschaft eingebaut

werden konnten, so mußte

zweitens die Sozialpolitik grundsätzlich staatlich-zentralistisch

und damit schematisch, formalistisch gedacht werden.

Man fand die Möglichkeit solcher zentralistischer und formeller

Eingriffe vor allem auf dem Gebiete des A r b e i t s v e r t r a g e s .

Seine Freiheit sollte zwar nicht grundsätzlich verneint, aber prak-

tisch doch in dem Sinne eingeschränkt werden, daß man die Arbeits-

zeit herabsetzte, ferner die Frauen-, Kinder- und Sonntagsarbeit

einschränkte oder verbot. Z e n t r a l i s t i s c h war dieses Vorgehen

deshalb, weil der Staat auf allen Gebieten allgemein regelnd eingriff,

formalistisch, weil man nur von äußeren Merkmalen ausging, ohne

die Wurzeln der Schäden zu erfassen. Mit Bismarck kam dann

allerdings ein neuer Zug in diese Bestrebungen, indem man durch