36
[25/26]
Schaftstheoretiker stehen heute noch fast unverhüllt auf diesem
Standpunkte. In Deutschland allerdings bringt man diese Folge-
richtigkeit schon lange nicht mehr auf. Da die individualistische
Theorie seit dem Kriege in Deutschland wieder gewaltig an Einfluß
zunahm und die geschichtliche Schule stark zurückgedrängt wurde,
ist die S o z i a l p o l i t i k n i c h t n u r i n e i n e p r a k t i -
s c h e , s o n d e r n a u c h i n e i n e t h e o r e t i s c h e K r i s e
g e r a t e n . Die Krise der Sozialpolitik ist also grundsätzlicher
Natur und schon darum nicht etwa durch technische Künste im
Versicherungswesen zu beheben.
Wie stellt sich nun die Denk- und Tataufgabe der
D.
Sozialpolitik vom universalistischen Standpunkte aus
dar? Nach universalistischer Auffassung ist es nicht richtig, daß die
einzelnen Wirtschafter mit ihrem Eigennutze den Ausgangspunkt
der wirtschaftlichen Vorgänge bilden; es ist nicht richtig, daß die
Wirtschaft eine Summe atomhafter, in sich gründender Wirtschafter
wäre, die auf dem Markte zusammenträfen, um als „Angebot und
Nachfrage“ Preise zu bilden. Gewiß werden heute die meisten Wirt-
schafter von dem Streben bestimmt, möglichst viel zu erwerben;
aber entscheidend ist: daß der Einzelne aus dem selbstbestimmten
Eigennutze heraus wirtschaftlich doch nichts unternehmen kann!
Er muß vielmehr die Voraussetzungen, die Prämissen in Rechnung
ziehen, die in dem ihm j e w e i l i g s c h o n v o r g e g e b e n e n
G l i e d e r b a u d e r W i r t s c h a f t liegen. In jeder geschicht-
lichen Zeit, und wäre es in der „Steinzeit“, ist die Wirtschaft not-
wendig ein von dem Einzelnen schon Vorgefundener Gliederbau von
Mitteln für Ziele. Und der Einzelne kann daher nur dann wirt-
schaften: wenn er sich zum Glied, zum Organ in diesem System
von Mitteln macht. Die Beweggründe, die den Einzelnen antreiben,
jene Prämissen zu ergreifen, sind, wirtschaftlich gesehen, unmittelbar
gleichgültig; unmittelbar entscheidend ist vielmehr nur die Tatsache
der E i n g l i e d e r u n g der / Handlungen des Wirtschafters in
den jeweils vorgegebenen Bau der Wirtschaft (auf Grund der Vor-
gefundenen Prämissen). Diese „Eingliederung“ kann und wird
natürlich den vorhandenen Bau umbilden, umgliedern, aber erst-