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aller Wissenschaften, sie ist vielmehr jene Betrachtung der Welt, in
welcher unsere Erfahrung auf letzte, grundsätzliche Ausblicke, näm-
lich auf das Übersinnliche, zurückgeführt wird. Bei dem verschie-
densten Wissensstande ergibt sich aber das Übersinnliche als der
gleiche, ewige Hintergrund aller Mannigfaltigkeit der sinnlichen
Welt.
Zwischen dem Standpunkte der genauen Anknüpfung der Phi-
losophie an die Einzelwissenschaften (Empirismus) und dem ge-
schlossenen Lehrgebäude (Idealismus) steht der Kritizismus. Dieser
sagt: Die Einzelwissenschaften haben es mit dem Stoffe der Erfah-
rung zu tun; die Philosophie hat es mit der Form des Erkennens zu
tun. Das heißt, die Philosophie ist als Erkenntnislehre eine eigene
selbständige Wissenschaft. Daher der große Eindruck Kantens. Kant
sagt: Die Vernunft kann keinen Stoff schaffen, sie kann ihn nur
nachträglich, mit Hilfe der Erfahrung, erkennen, sie kann ihn erst
nachträglich in gewissen Formen, dem Apriori der Vernunft, verar-
beiten. Daraus wird verständlich, daß der Kritizismus, obzwar eine
ruhmvolle Übergangsform aus der Plattheit des Empirismus, einen
durchgreifenden Systemgedanken ablehnen muß.
Entscheidend ist die Auffassung der Kantischen Kategorien als rein erleiden-
der Formen; dagegen seit Fichte: Auffassung der Kategorien als e r z e u g e n -
d e r Setzungsweisen des Ichs, der Vernunft, vorerst unentschieden, wieweit der
subjektiven und objektiven Vernunft; später (Schelling, Flegel) werden die Ka-
tegorien als Setzungsweisen der objektiven Vernunft gefaßt, wodurch die Begriffe
in ihrer Bestimmtheit auseinander hervorgehen und, da das Ganze ein über-
individueller Vorgang ist, damit auch die Bestimmtheit der Welt.
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2. Die B e g r i f f s g e b ä u d e i n d e r G e s c h i c h t e d e r
P h i l o s o p h i e
Die Forderung, die an ein philosophisches Begriffsgebäude zu
stellen ist, hat Platon im „Staat“ (511 a ff.) ausgesprochen. Platon
sagt dort: Die Untersuchung sei zunächst genötigt, „Voraussetzun-
gen anzuwenden ... ohne zum Ursprung zu gehen“, wobei sie die
sinnliche Erfahrung, „die Spiegelung (der Ideen), die die unteren
Dinge geben . . . “ als solche Voraussetzungen verwendet. Indem die
Untersuchung „mit der Kraft der Dialektik“ [das ist mit der in ihr
durch die Begriffsscheidung, oiattpeotc, liegenden Gedankenentwick-
lung] soweit fortgeführt wird, daß man von den sinnlichen Erfah-
rungen (Voraussetzungen) „bis zu dem Unbedingten
(avoTtSHexov,