Vorwort
Eine nie zu betäubende innere Stimme sagt dem Menschen,
daß in der Natur Mächte urtümlichen Lebens walten, zu denen
er in einem wesenhaften inneren Verhältnisse stehe. Eine
mechanistische Naturansicht dagegen, wie sie ihm die neuzeitliche
Physik vorspiegelt, sagt ihm das Gegenteil. Sie zeigt ihm, nach
Novalis’ Worten, eine „sich selbst mahlende Mühle“, eine tote
Natur. Am starren Felsen des Leblosen muß aber jede Geistes-
hoffnung zerschellen. Eine tote, entgötterte Natur steht den
geistigen Lebensnotwendigkeiten des Menschen so sehr entgegen,
daß er lieber nach einer zweifachen Wahrheit lebt, als gänzlich
auf die Beseelung der Natur zu verzichten. Einerseits nämlich
richtet der heutige Mensch sein ganzes Denken nach der mecha-
nistischen Naturbetrachtung ein, andererseits aber gelangt er
doch in Stunden der Erhebung, bei Sonnenaufgängen, im An-
blicke des Sternenhimmels, im Frühlingsblütenmeere in einen
Zustand der Andacht zur Natur. Solche Andacht führt ihn bis
zur innigsten Befreundung mit der Natur, ja, wie Fausten, bis
zur Ahnung des Schöpfers empor:
„Erhabner Geist, —
Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,
Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust
Wie in den B u s e n e i n e s F r e u n d s z u
s c h a u e n . “
Doch diese unabweisbaren inneren Regungen lassen sich so
leicht nicht in Erkenntnis umsetzen. In der Auffassung der Natur /
von Geist und Leben her lauert schon als die erste Klippe aller
ernsten Naturphilosophie die Frage: Ist die Natur Geist? Wäre
sie das nach Menschenweise, dann müßten wir ganz anders auf
Du und Du mit ihr stehen, als es in der Tat der Fall ist. Un-
zerteilte Urkraft, durchdringendes Leben, in welchem alles ver-