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Zweitens.
Diese Urmythen werden durch bestimmte subjektive Erlebnisse
der Mystiker und Magier, die sich hauptsächlich in typischen vi-
s i o n ä r e n E r s c h e i n u n g e n u n d Z e i c h e n äußern,
weiter bestimmt und geschieden. Darauf beruhen insbesondere die
mythologischen Sinnbilder, deren weitgehende Übereinstimmung
in verschiedenen mythologischen Religionen und Zeiten auf diese
Weise verständlich wird, z. B. Höllenhund, Hüter der Schwelle. —
Daraus entsteht weiter ein bestimmter Sonderfall: Unkundigen
gegenüber werden diese Bilder zu bloßen Einkleidungen umgestal-
tet, das heißt sie werden exoterisch. So entsteht in allen Religionen
der wichtige G e g e n s a t z v o n e s o t e r i s c h u n d e x o t e -
r i s c h , ohne welchen ein großer Teil der heiligen Sagen und
Gottesdienste nicht ganz zu verstehen ist
1
.
Drittens.
Zu diesen im menschlichen Geist liegenden Grundgesetzen der
Mythenbildung kommt die E r f a h r u n g , die Analysis der Wirk-
lichkeit hinzu, das heißt es werden nun erst die Beobachtungen
an der geistig-gesellschaftlich-sittlichen Welt und / an der stoff-
lichen Natur für die Mythenbildung wirksam und zwar wesentlich
nach den ganzheitlichen Kategorien:
(a)
des S t u f e n b a u e s der Natur- und Geisteswelt,
(b)
der gleichzeitig v i e l f a c h e n G l i e d h a f t i g k e i t , wel-
che den göttlichen Teilmächten des geistigen und natürlichen Kos-
mos zukommt. Das wird später noch zu zeigen sein.
Demnach können die geistig-gesellschaftliche und die äußere
Naturwelt nur Stoff gebend, nur abwandelnd, ausgestaltend, prak-
tisch anwendend zur Geltung kommen, wie unter anderen die
Astralmythen lehren. Um z. B. Sonne und Mond als das rechte und
linke Auge der Gottheit aufzufassen, muß vorerst — kategorien-
mäßig — die Einheit von Gott und Welt zugrunde liegen. Die
durch Beobachtung festgestellten Kalenderdaten, welche in den
mythologischen und schließlich in allen Religionen eine so große
Rolle spielen, sind allerdings durch den Lauf der Natur gegeben,
aber ihre Deutung auf Tod, Auferstehung, Erlösung, Liebe geht von
den Kategorien und den mystischen Grundsymbolen aus.
1
Weiteres darüber unten S. 234 ff.