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Wie man sieht, sind es innere, geistige, transzendentale Gesetze,

welche die Mythenbildung grundsätzlich bestimmen, nicht etwa

Naturgesetze. Jede mechanistische Auffassung, jeder Naturalismus

ist daher von der primären Erklärung der Mythen auszuschließen.

Für die subjektiven Erlebnisse der Mystiker verweisen wir auf

Späteres

1

und geben hier nur einen Überblick des Grundsätzlichen.

B. Die U r m y t h e n d e r p o l y t h e i s t i s c h e n R e l i g i o -

n e n a u s d e n m y s t i s c h e n K a t e g o r i e n b e g r i f f e n

1. Aus der Kategorie der Gottverwandtschaft des Menschen er-

geben sich die mannigfachen Mythen der g ö t t l i c h e n A b -

s t a m m u n g d e s M e n s c h e n . Als erstes tritt uns hier ent-

gegen, nach den höchsten Forderungen der Mystik, die schaffende

Gotteskraft (platonisch gesagt die Ideenwelt), wonach das Schöp-

fungswort selbst schon der Mensch, der U r m e n s c h sei; daher

lehrt Pindar den gemeinsamen Ursprung von Gott und Menschen

2

.

Nach mystischer Grundlehre gibt nur in der menschlichen Seele

Gott sich selbst, nicht in der Natur

3

. Exoterisch / tritt das in man-

nigfachen Bildern auf, esoterisch ist der Urmensch stets zugleich

der makrokosmische Mensch. Den mann-weiblichen Kugelmenschen

in Platons Symposion darf man als Entsprechung zum Weltenei

deuten, in welchem die Welt noch latent enthalten, Himmel und

Erde vereinigt ist. Der Urmensch wäre demnach auch hier der

makrokosmische Mensch. Nur aus dem Begriff der zentralen Stel-

lung des Menschen

4

und des makrokosmischen Menschen ist auch

die, im Chinesischen, Indischen, Germanischen begegnende Lehre

verständlich, daß der Tugendhafte, Heilige durch sein rechtes Le-

ben (und die rechten Opfer) die natürliche, rechte Weltordnung

aufrecht erhalte. So heißt es in der Erzählung „Sâvitri“ des Ma-

habhäratam: Savitri spricht, fünfter Spruch:

„Pflichtgetreu sind stets die Guten,

Ohne Wanken, ohne Wehn:

1

Siehe unten S. 231 ff. über Sinnbilder, Esoterik, Exoterik.

2

Pindar: Nem. 6,5.

3

Vgl. oben S. 87 f.; Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, Leipzig 1857, S. 230,

Zeile 36 f.: „In allen Kreaturen ist etwas Gottes, aber in der Seele ist Gott gött-

lich“.

4

Siehe unten S. 259 ff.

13 Spann, Religionsphilosophie