Die bisher betrachteten Quellen genügen nicht, um die Religionen
und ihren geschichtlichen Reichtum ganz zu erklären. Mit dem, was
sich aus Mystik und Magie an Religion und ihrer konkreten Ver-
wirklichung ergibt, ist der Tiefe der großen Religionen nicht Genüge
getan. Der Entstehung der großen Religionen liegt ein unerforsch-
liches G e h e i m n i s zugrunde. Wir sehen zwar die Stiftung ho-
her Religionen im Licht der Geschichte, wir können in ihnen auch
die Entstehung neuer Bewegungen zum Teil genau verfolgen, aber
die letzten Gründe bleiben uns dennoch verborgen, — sie liegen
noch hinter Mystik und Magie!
In den dunkelsten Tiefen des religiösen Lebens der Menschheit
wirkt Gott. Keine Religion entsteht ohne Einfluß von oben, ohne
O f f e n b a r u n g .
Es ist ein naturalistischer Irrtum, die Stiftung einer Religion gänz-
lich aus der Person des Stifters, aus seiner Individualität und Be-
gabung, seinem Beruf und Schicksal oder gar aus Rasse, Umwelt,
Wirtschaft herzuleiten. Wie sich schon jeder Religionsstifter als
Werkzeug Gottes empfand, so entspricht es auch der tiefsten Wahr-
heit. (Bloße S e k t e n dagegen mögen rein menschliche Gebilde sein,
zum Teil krankhafte — aber sie sind stets nur möglich auf dem
Hintergrund eines großen Religionssystems.)
Allerdings werden wir durch diese Erkenntnis in ein noch tieferes
Dunkel der Religionsgeschichte geführt: ihre Widersprüche, krank-
haften Erscheinungen und Greuel werden dadurch ein noch größeres
Mysterium. Der Wahrheit muß man unter allen Umständen zustim-
men, folge daraus, was da wolle. Und sollte sich wirklich kein Faden
in dem Labyrinth der Religionen zeigen, der uns aus den verschlun-
genen Wegen des Irrtums hinausführte?
Gegen diese unsere Auffassung, daß Gott sich in der Religions- /
geschichte o f f e n b a r e und am bestimmtesten bei der Stiftung der
Religionen selbst, sträubt sich nun das verständige Bewußtsein der
letzten Jahrhunderte — die Aufklärung, der Naturalismus — mit
allen Fibern. Das liegt nicht nur an den philosophisch-methodischen