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zu nennenden Lehre Eckeharts vom Fünklein, einer Lehre, die wie
dem Herzen Gottes selber entrissen ist. Darum sagte Eckehart kühn-
lich auch, in der Seele schuf Gott sich selbst, indem Gott sprach: „Wir
machen einen glîchen“ (einen uns Gleichen), den Menschen. Daher
der Mensch nicht in einem äußerlichen Sinne erst sein Sein durch die
Schöpfung erhält, sondern dieses in Gott eine ewige Wurzel hat, die
er auch, in das äußere Dasein der Welt getreten, immerdar behält.
Erst durch einen vertieften Schöpfungsbegriff sind alle D e n k a u f g a b e n
d e r G o t t e s l e h r e klar erkennbar, zum Teil auch lösbar:
1.
durch den Begriff des Schaffens, nach welchem der Schöpfer im Geschöpf
gegenwärtig bleibt, wird vermieden, daß die Welt sich selbst überlassen sei, aller
D e i s m u s ;
/
2.
durch ihn wird auch vermieden, die Welt als bloße Selbst-Determination,
Selbstverwirklichung Gottes (wodurch Gott und Welt zuletzt eins würden) auf-
zufassen, aller Pantheismus;
3.
durch den Begriff des f r e i e n Schaffens wird die N o t w e n d i g k e i t
der Weltentstehung und damit die E w i g k e i t d e r W e l t , welche ja schließ-
lich Gott überflüssig machte, vermieden.
2.
Erlösung, Rechtfertigung, Stellvertretung, Überleistung
Erlösung ist mehr denn jeder andere ein Schlüsselbegriff, die Ge-
heimnisse der Religionen, und insbesondere des Christentums, auf-
zuschließen. Trotzdem ist sie dem modernen Bewußtsein besonders
anstößig. Das beweist aber nur, wie sehr die Moderne in Naturalis-
mus versank.
Vergleicht der erweckte Mensch seinen schmachvollen irdischen
Zustand mit dem göttlichen Wesen seines Geistesgrundes, so verlangt
ihn nach Befreiung, nach Aufhebung aller Gottentfremdung, Wie-
derherstellung — Erlösung. Sie ist daher ein religiöser Urbegriff,
eine unbedingte Denknotwendigkeit, unentbehrliche Kategorie alles
höheren religiösen Lebens.
Auch hier müssen wir die christliche Ausprägung dieser Kategorie
als die vollkommenste ansehen. Denn der christliche Erlösungsbegriff
unterscheidet sich zunächst wesentlich von dem m y t h o l o g i -
s c h e n . Dieser nämlich kennt zwar den leidenden, sterbenden, auf-
erstehenden und dadurch erlösenden Gott (so in Osiris, Marduk,
Dionysos, Baldur, auch in Wotan selbst), aber er versenkt dieses er-
lösende göttliche Wirken trotz tiefsinniger Symbolik zugleich in die
Natur, und das so sehr, daß die betreffenden Kulte und Feste großen-
teils zu bloßen Naturerneuerungskulten werden konnten. Die Er-
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