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Andererseits ist es aber gerade darum auch mystische Lehre, den

primären Grund der R e c h t f e r t i g u n g des Menschen im my-

stischen Erlebnisgrund der Übervollkommenheit göttlichen We-

sens und darin beschlossener G n a d e zu finden. Die Werke folgen

nach, sind das logisch Nachgeordnete. Aus der mystischen Übervoll-

kommenheit Gottes folgt (trotz der Gottverwandtschaft) ein Ab-

standsbewußtsein von Gott — die Grundlage eines empfindlichen

S c h u l d - u n d S ü n d e n g e f ü h l s sowie des V e r s ö h -

n u n g s s t r e b e n s . Dagegen wird vor Dämonen und Natur-

göttern dieses Abstandsgefühl nicht entstehen — wieder ein unver-

gleichlicher Vorzug des Christentums!

Ferner ist hiermit eng verbunden der schon in anderem Zusam-

menhang berührte Begriff der S t e l l v e r t r e t u n g . Hier kommt

die ganzheitliche Kategorienlehre einem tieferen Verständnis zu

Hilfe. Denn es ist klar, daß dieser Begriff jeder / Theologie theore-

tisch unerschwinglich bleibt, welche die herkömmliche mechani-

stisch-naturalistische Grundeinstellung des modernen Denkens (des

Denkens der Welt nach Art der mechanistischen Physik) teilt, da

dieser die Stellvertretung etwas Naturwidriges ist. In einem bloßen

Aggregat von isolierten Teilen oder Atomen gibt es keine Stellver-

tretung. Dagegen ist der Begriff der Stellvertretung der ganzheit-

lichen Denkweise ein durchaus verständlicher; Stellvertretung ist ihr

eine r e i n a n a l y t i s c h begründete Kategorie. Betrachtet man

die Menschheit als aus einzelnen, für sich bestehenden Individuen zu-

sammengesetzt, summiert, also atomistisch, summativ, dann gibt es

allerdings keine Stellvertretung; denn jedes Individuum kann dann

nur sein eigenes Werk, nicht das eines anderen tun. Erkennt man sie

aber nach den Kategorien der Ganzheit: Ausgliederung, Rückver-

bundenheit, damit auch der Leistungsgliederung, Entsprechung und

des Ranges, so erscheinen die Einzelnen als g l i e d h a f t , das ist

als Glieder einer Einheit — dann ist die Stellvertretung z. B. des

kranken oder ausfallenden Gliedes durch das gesunde, des niederen

Gliedes durch das höhere eine durchaus wesensgemäße, eine e i n -

s i c h t i g zu verstehende Erscheinung; wie sie denn auch eine

empirisch — besonders an leiblich-organischen wie an geistig-gesell-

schaftlichen Ganzheiten — leicht belegbare Tatsache ist, z. B.: Ver-