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gerechte“

1

— auch das böse und sich verkehrende Glied ist als rück-

verbundenes Glied von der Gottheit gehalten, getragen, durchdrun-

gen.

Dies ist es, was der B e r g p r e d i g t ihre Erhabenheit und Lau-

terkeit verleiht.

Wesentlich sind hier die bestehenden Vorränge: Die Nächstenliebe

ist nicht allein aus der menschlichen Gemeinschaft oder Gezweiung

2

,

vielmehr vor dieser noch aus der Rückverbundenheit zu erklären:

Die Gottesliebe steht vor der Nächstenliebe und begründet sie. Gott

ist in jedem Glied, auch in dem verbildeten — und darnach muß

gehandelt werden.

Freilich ergibt sich hier die Frage, wie weit das verbildete Glied die

gesunde Ganzheit gefährde. Wird diese Gefährdung wesentlich, dann

muß das Glied in seine Schranken gewiesen werden: Strafe ist daher

ihrem reinen Wesen nach weder Rache noch Vergeltung, sondern

Folge einer Abwendung von der befassenden, tragenden Ganzheit

— Selbstzerstörung!

E.

S c h a u e n d e s u n d t ä t i g e s L e b e n . N o c h m a l s d e r

W e r t d e s M e n s c h e n

Das Verhältnis des mystischen, schauenden Lebens zum tätigen

Leben bestimmte das Christentum grundsätzlich als Weltüber- /

höhung, Weltüberwindung, aber nicht als Weltverneinung. „Trach-

tet zuerst nach dem Reiche Gottes, so wird euch das übrige alles zu-

fallen“

3

. Hiermit ist ausgesprochen, daß die s i n n l i c h e W e l t

a u s d e r ü b e r s i n n l i c h e n h e r a u s zu erfassen sei. Nicht

verworfen wird die Welt, sondern überhöht. Das Sinnliche wird be-

faßt vom Übersinnlichen.

Darum sagte Meister Eckehart: „Aus Deinem innersten Grunde

sollst Du wirken alle Deine Werke sunder warumbe“

4

. „Täte ein

Mensch auch große Werke, sein Herz aber wäre unstet — es hülfe

ihm wenig oder nichts“

5

.

1

Mattheus 5, 45.

2

Vgl. meine Gesellschaftslehre, 3. Aufl., Leipzig 1930, S. 205 [4. Aufl., Graz

1969, S. 251],

3

Mattheus 6, 33.

4

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, Leipzig 1857, S. 66, Zeile 5 f.

5

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, Leipzig 1857, S. 200, Zeile 25 f.