9
das „Fünklein“ im Sinne Meister Eckeharts oder „Atman“ im Sinne
der indoarischen Veda-Lehre, begründet seine Persönlichkeit und
seine Rückverbundenheit (religio) mit dem höchsten Wesen. „Gott ist
Geist und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geiste und in der Wahr-
heit anbeten“ (Bd 16, 374). Dieses Gebot des Johannes-Evangeliums
ist für Spann denn auch ein Kernsatz des Christentums, das nach
seiner Überzeugung das Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf
am tiefsten erfaßt.
Die Ganzheitslehre begründet weiters das organische Verhältnis
zwischen Mensch und Umwelt. Spann bezieht sich unter anderem
(Bd 15, 177) auf das bereits 1914 erschienene Buch „Die Umwelt des
Lebens“ von Lawrence J. Henderson und dessen Hinweise auf die
lebensfördernden Eigenschaften wichtiger chemischer Verbindun-
gen
4
, wie die Fähigkeit des Kohlenstoffes, mit dem Wasserstoff Tau-
sende von Verbindungen einzugehen, oder etwa die Bedeutung der
hohen spezifischen Wärme des Wassers für dessen Zirkulation, damit
für die Entstehung von Ozeanströmungen und von Winden.
Die Lebensverwandtschaft, die „Wirklichkeit der Natur“ müssen
als köstliche Güter erhalten bleiben. Sie beruhen auf ganzheitlichen
Entsprechungen zwischen der anorganischen und organischen Welt.
Wasserhaushalt, Beforstung und Pflege der Kulturlandschaft ganz allge-
mein sind im Gesamtzusammenhange der Naturgrundlagen zu sehen
und zu beurteilen. Isolierte Eingriffe (willkürliche Flußregulierungen,
Monokulturen, einseitige Wald- und Feld-Bebauung, Schädlingsbe-
kämpfung, Veränderungen der Gene usw.) rächen sich durch einher-
gehende Verluste anderweitig, gefährden die Qualität des Lebens. Der
Begriff der „Ökologie“ bedeutet letztlich nichts anderes als „ganz-
heitliche Stimmigkeit“, das „Aufeinander-angelegt-Sein“ von Natur
und alles Lebendigen. Weil eine „atomistische“ Zeit alles Geschehen
nur isoliert, vom Teile her sah und so etwa „Zell-Pathologie“ statt
Heilung vom Ganzen her förderte, schuf sie die Auswüchse heutiger
Zivilisation, die Öde aus Beton und Staub, die wir allenthalben be-
klagen. Eine schier unübersehbare Literatur ruft mittlerweile zu Ein-
sicht und Umkehr auf.
4
Lawrence J. Henderson: Die Umwelt des Lebens, Wiesbaden 1914.