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sondere göttliche Gnade und nur für kurze Zeit möglich

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. Ihn zu

leugnen aber hieße nicht nur: Tatsachen leugnen, von denen die

Religions- und Geistesgeschichte immer wieder berichtet und die uns

die Kategorienlehre als möglich verständlich macht; sondern auch:

die Religion des letzten Sinnes berauben! Das Gegenteil von Ver-

messenheit ist richtig. Denn überheblich wird der Mensch nur durch

jene Lehren, die nichts wissen von seiner wahren Bestimmung,

sondern äußerliche Geistesfähigkeiten als die größten preisen, sodaß

ein bißchen mehr davon allzuleicht schon zur Überheblichkeit ver-

leitet. Der Weg zu Gott aber geht überhaupt nur durch das Tor der

D e m u t . Auch das meint der mystische Spruch

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des Angelus

Silesius: „Bei Gotte werden nur die Götter angenommen.“

Dies ist der höchste Gipfel, zu dem die ganzheitliche Kategorien-

lehre sich zu erheben vermag. Was sich sonst nur als ein Glaubensge-

heimnis aussprechen ließ, hat sich hier in klares philosophisches

Wissen „verwandelt“. Diese Verwandlung von Glauben in Wissen

aber ist die Aufgabe der Philosophie, es ist die Aufgabe der Reli-

gions- und Geistesgeschichte, denn klares inneres Wissen ist R ü c k -

v e r b u n d e n h e i t .

Rückbesinnung auf das Wesen der Ganzheit

Alle Mystiker sprechen von dem Einungserlebnis mit Gott, aber alle

berichten, daß es ein Unaussprechliches ist, was sie erlebten. Sie

waren eins mit Gott und sie haben ihn doch nicht gesehen. Genau

dies aber lehrt und begründet die Ganzheitslehre. Gott ist der Gipfel-

punkt im Stufenbau der Ganzheiten. Aber: Das Ganze als solches hat

kein Dasein. Es kann daher vom Gliede nicht als solches wahrgenom-

men werden. Die Schöpfung ist geschaffen durch Ausgliederung, und

diese erfolgt nach der Weise der Ebenbildlichkeit. Darum gilt auch

für die Welt, und zwar für den ganzen Stufenbau: „D a s G a n z e

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Dies bringt ein Volksspruch aus dem Ybbstal treffend zum Ausdruck: „Die heilige

Dorothea ... ist einmal im Himmel g’west, hat wieder oba (herunter) müssen.“

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Dessen erster Teil bekanntlich auf die mystische Erhöhung des Menschen hinzielt:

,,Mensch bleib doch nicht Mensch, du mußt zum Höchsten kommen.“