Natur und Geist im Denken Othmar Spanns
Die Grundlagen seiner Naturphilosophie
v o n
U l r i c h S c h ö n d o r f e r
Othmar Spann baute seine Metaphysik auf der ganzheitlichen
Axiomatik seiner Kategorienlehre auf. Der erste Teil dieser Meta-
physik, der „Schöpfungsgang des Geistes“ (Bd 10), enthielt die
Seins-, die Gottes- und die Geistlehre, die Naturphilosophie und die
Ideenlehre.
Der zweite Teil, der die Erkenntnislehre, die Ethik, die Gesell-
schafts- und die Geschichtsphilosophie umfassen sollte, erschien
nicht mehr, da Spann wichtige seiner Teile, in schöpferischer Aus-
einandersetzung mit den Philosophen seiner Zeit, in Einzelwerken
behandelte. Aber auch Teilgebiete des Schöpfungsganges, wie die
Natur- und die Geistesphilosophie, erfuhren in selbständigen Werken
eingehende Behandlung, so 1935 die Philosophie des Geistes in
„Erkenne Dich selbst. Eine Geistesphilosophie als Lehre vom Men-
schen und seiner Weltstellung“ (Bd 14) und 1937 die „Naturphilo-
sophie“ (Bd 15).
In dieser wollte Spann den wahren Begriff der Natur wiederer-
obern, den Begriff der Innerlichkeit der Natur (Bd 15, 5), der der
neuzeitlichen Naturwissenschaft verlorengegangen war, da diese
ihrer Axiomatik entsprechend dem Quantitativen, also sekundären,
äußeren Merkmalen, verhaftet blieb und nicht mehr an das Eigen-
sein der Natur herankam.
Sie hat zwar unsere Kenntnis und die Nutzung der Natur be-
deutend erweitert und uns neue Teilaspekte der Natur erschlossen,
aber sie erhob Teilaspekte zu Totalaspekten und machte äußere Merk-
male, wie Größen und Mengen, zu ersten und allein entscheidenden.