Table of Contents Table of Contents
Previous Page  9048 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 9048 / 9133 Next Page
Page Background

328

faltet sich („Philosophenspiegel“, Bd 13, 14 ff.) auch das Gedanken-

gebäude jeder Philosophie. Und erst ein tieferes Geisterlebnis, durch

welches ein Gedankengebäude die ursprüngliche Grundhaltung ver-

tieft und neu gestaltet, vermag mit der Klarheit der Vernunft den

Menschen innerlich zu wandeln. Der von der „Barmherzigkeit und

Güte“ Gottes enttäuschte Mensch muß immer wieder erfahren, daß

Gott kein (den Einzelnen) Strafender und Belohnender ist, daß viel-

mehr für die göttliche Gerechtigkeit die Schöpfung als Ganzheit

über den einzelnen Geschöpfen steht, daß, wie es für den Menschen

(nicht zehn, sondern) ein oberstes Gebot gibt (das erste), so auch

Gott in seiner Schöpfung ein höchstes Prinzip als das herrschende

eingesetzt hat: die als Garant der kosmischen Harmonie unbestech-

liche ganzheitliche Weise der E n t s p r e c h u n g .

Nicht das religiöse Gefühl, sondern nur das klare Licht der (seinem

Ebenbilde von Gott verliehenen) Vernunft vermag dem Menschen

„Rechenschaft“ zu geben über alles Nicht-sein-Sollende dieser Welt.

Es hat seinen Grund nicht in einem Mangel seines Schöpfers oder

darin, daß es einen solchen nicht gibt, oder in einem „göttlichen

Finstergrunde“, sondern vielmehr darin, daß er seinem Ebenbilde

eben das Höchste an Ebenbildlichkeit schenkte, das er zu geben

hatte, das Göttlichste am Göttlichen: die F r e i h e i t ! Daß der

gott-ebenbildliche Mensch gerade durch sie in den heutigen Stand

seiner Unfreiheit gesunken ist, ist nicht die Tat Gottes, sondern der

Mißbrauch seiner höchsten Liebe und Güte durch den Menschen. Daß

nun alle dafür büßen müssen, ist ein unerschütterliches Weltgesetz.

Wir können es nicht ändern, sondern nur zur Kenntnis nehmen als

einen unerbittlichen Grundzug einer bis in das innerste Gefüge

g a n z h e i t l i c h e n Weltordnung. Dies besonders herauszustellen,

ist der Grund für unsere abschließenden Gedanken.

Daß die gefallene Welt nicht die beste aller Welten ist, sondern

eine, in welcher das Böse und Unholdische immer wieder bedrohlich

sein Haupt erhebt, spricht aus den Worten Spanns, die er seiner

Geschichtsphilosophie vorausschickt: „Der Mensch empfindet zu-

gleich Grauen und Hingabe beim Anblicke der Geschichte. Grauen,

denn sie ist der Moloch, der alles verzehrt, der Abgrund, der alles

verschlingt. Hingabe, denn sie zieht ihn zugleich mit unwiderstehlicher

Gewalt an“ (Bd 12, 5).