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Ihre quantitative Methodik arbeitet mit vereinfachenden Modellen
und kommt daher oft an entscheidende Merkmale und Ordnungen der
Natur, an ihr Eigensein nicht heran. Das Erfassen dieses Eigenseins
durch entsprechende Begriffe war für Spann, wie für die Philosophie
des abendländischen Idealismus, d i e Aufgabe der Naturphilosophie.
Von der Naturphilosophie des Deutschen Idealismus (insbesondere
der Schellings und Hegels) aber trennte Spann die Überzeugung, daß
Natur n i c h t Geist, sondern „nur eine Entsprechung des Geistes“
sein kann (Bd 15, 4).
Er hatte erkannt, daß Geist nur Geistiges, Natur nur Naturhaftes
(also Räumliches) ausgliedern kann, und daß Geist und Natur (als
räumlich-stoffliche Welt) nicht Produkt e i n e r Entwicklung sein
können, sondern g l e i c h - u r s p r ü n g l i c h sind.
Sie sind als gleich-ursprüngliche Bereiche, als U r g e z w e i u n g
von Gott geschaffen, eigenständig, aber aufeinander h i n ge-
o r d n e t .
Ein aufschlußreiches Symbol solcher Hinordnung sah Spann in
der Symbiose von Lebewesen verschiedener Art, aus der sich ein
Lebewesen eigener Art ergibt, wie z. B. die Flechte aus der Symbiose
Pilz und Alge, „die sich als solche fortpflanzt und eine eigene charak-
teristische Gestalt hat“ (Bd 10, 175). Spann war sich dabei des bloß
analogen Charakters dieses Symbols und der begrenzten Einsicht,
die es vermitteln kann, bewußt.
Geist ist auf Natur hingeordnet, um sich in ihr ausdrücken zu
können, Natur ist auf Geist als stoffliches Mittel des Ausdrucks seiner
Inhalte hingeordnet, aber auch, um mit ihm im O r g a n i s c h -
L e b e n d i g e n in eine Verbindung, eine Gezweiung höherer
Ordnung eingehen zu können. Durch die Hinordnung der beiden
Seinsbereiche aufeinander ist ihr Wesen mitbestimmt.
Spann erkannte, daß Natur (als stofflich-räumliche Welt) ihre
eigene Ordnung besitzt, und daß sie nicht als Bettler zum Geist
kommt, daß sie im eigenen, nicht erborgten Reichtum schwelgt
(Bd 10, 388). Die Wesenszüge der Natur waren Spann: Zeitlichkeit,
Räumlichkeit und Stofflichkeit, „denn Zeitlichkeit, Räumlichkeit
und Stofflichkeit sind allen Naturerscheinungen eigen“ (Bd 15, 34).
Den Ursprung der Natur sah er im Wirken vorstofflicher Mächte.
„Die stoffliche Welt entsteht dadurch, daß sich vorstoffliche Wesen-