36
[21/22]
A. Die W e l t v o n U r s a c h e u n d W i r k u n g
Dieser Welt der Werte steht eine Welt von Ursache und Wirkung
schroff entgegen. Man sieht mit ganz anderen Augen den Dingen ins
Antlitz, man sieht eine neue, ganz andere Ebene, ein ganz neues Reich,
wenn man statt der Wertgeltung, statt der Welt des „Höher“ und
„Niedriger“ die Welt von Ursache und Wirkung betrachtet. Statt
„Höher und Niedriger“ findet sich hier nur die Bestimmung von
„Vorher und Nachher“, / von ursächlichem Grund und bewirkter Folge,
von Bedingung und Bedingtem.
Die Welt von Ursache und Folge kennt keinen Wert, sie ist ein rein
mechanisches, völlig sinnloses Fortgehen zum ewig Nächsten, ein
rastloses Hin- und Herwogen, ein Ineinanderwirren von notwendiger
Ursache und notwendiger Wirkung, gleichwie das wogende Weltmeer
unaufhörlich an die Rippen seiner Ufer schlägt. In die Stufenwelt der
Werte würden die Tropfen und Wellen des Weltmeeres erst gelangen,
wenn dieses, in eine große Midgardschlange verwandelt, jeden Tropfen
zu einem Gliede seines Körpers machte und damit jedem Tropfen den
Wert eines Gliedes im Organismus des Ganzen verliehe, ihm eine Stelle
in der Rangordnung, im Gliederbau von Höher und Niedriger, der nun
im Ganzen entstände, anwiese. Der Unterschied zwischen
Ursachenwelt (oder Natur) und Wertwelt (oder Geistigem) ist, wie
dieses Beispiel sinnfällig zeigt, ein zweifacher:
1. Wo die Verknüpfung, die Blickrichtung „Ursache—Wirkung“
stattfindet, gibt es nichts „Sinnvolles“, damit auch nichts durch sich
selbst Gültiges, Verbindliches, also keinen „Wert“, keine
„Wertgeltung“, sondern nur mechanische (sinnlose) Notwendigkeit. Es
ist keine Möglichkeit, zu sagen: die Erde s o l l sich nicht um die Sonne
drehen; vielmehr besteht nur die Möglichkeit, Ursache und Wirkung
der Drehung zu erforschen; dort „Wert“, hier Tatsächlichkeit, dort
„Gelten“ und „Sollen“, hier „Sein“.
2.
Im Reiche der Ursächlichkeit besteht das Grundverhältnis von
„Vorher und Nachher“, im Reiche der Werte das Grundverhältnis von
„Höher und Niedriger“, von „Ganzes—Glied“, dort die
Aufeinanderfolge, hier die Rangordnung und Ganzheit.