Previous Page  210 / 749 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 210 / 749 Next Page
Page Background

210

[170/171]

Das universalistische Ideal hingegen geht auf ein Höchstmaß der

Staatsaufgaben. Um diesen Grundsatz aber richtig zu verstehen und

nicht ein Bild unkritischer, starr-autoritativer Allherrschaft des

Staates zu entwerfen, gilt es, klar auf seine Grundlage zurückzuge-

hen.

Als Grundlage des Höchstmaßes der Staatsaufgaben möchte ich

den Grundsatz des H ö c h s t m a ß e s a n G e m e i n s c h a f t -

l i c h k e i t betrachten, und zwar an geistig-moralischer Gemein-

schaft, denn die des Handelns, welche der Sozialismus in den Vor-

dergrund stellt, ist / in Wahrheit das Abhängige. Sind Sein und

Werden des Individuums im letzten Grunde in seiner Teilnahme an

geistiger Gemeinschaft beschlossen, so f o r d e r t d a s H ö c h s t -

m a ß i n d i v i d u e l l e r L e b e n s b e d i n g u n g

e n e i n H ö c h s t m a ß a n G e m e i n s c h a f t l i c h k e i t .

Höchstmaß an Gemeinschaftlichkeit ist so gesehen allerdings nur

eine rein geistige Angelegenheit, noch keine staatliche. Aber die

stetige Sicherstellung und die systematische Gestaltung der geistigen

Gemeinschaftsbeziehungen kann nicht dem Ungefähr überlassen

werden: sie geschieht durch Veranstaltung (Organisation). Zwar ist

der Staat selbst nur ein Stand, aber der Höchststand, und in diesem

Sinne die ideelle Einheit aller Veranstaltungen

1

. So aufgefaßt,

entspricht dann dem Höchstmaße an Gezweiung auch ein Höchst-

maß an Veranstaltung (Organisation), also an (ständischer) Staat-

lichkeit. Es ist aber klar, daß dies nur ein End- und Zielpunkt ist,

welcher klar erkannt, zwar auf die R i c h t u n g des gemeinsa-

men Lebens im Staate, auf dessen innerste Wesenheit, ein Licht

wirft, der aber nicht Allherrschaft des Staates bedeutet.

Prüfen wir diesen Gedanken näher im Hinblick auf die hand-

greifliche Wirklichkeit. Da ist zunächst zu bedenken, daß einerseits

alle Organisationen geistigen Lebens (z. B. Schule, Kirche, Vereins-

wesen) eine ideelle innere Einheit insofern bilden, als die Gesamt-

heit des geistigen Lebens wie eines Individuums so auch einer

Gruppe notwendig solch innerer Einheit zustrebt. (So können die

von der Kirche organisierten religiösen Inhalte den Bildungsinhal-

ten der Schule, des freien Vereinslebens und dergleichen nicht dau-

ernd und wesentlich widersprechen, sollen sie einen bedeutenden

Platz behaupten; denn das Geistesleben der Individuen erträgt dau-

1

Siehe unten viertes Buch, S. 591 ff.