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der Verfasser dieser Zeilen teilt, erscheint aber die Religion nicht /
bloß und nicht eigentlich als ein „Apriori“. Einmal da das religiöse
Apriori durchaus zentral, dadurch als die Quelle aller andern
Apriori gedacht werden muß — also schon mehr als z. B. das logi-
sche Apriori ist; dann sofern der Begriff des „Apriori“ stets etwas
Subjektivistisches beibehält.
Der Standpunkt des Universalismus ebenso wie der des objek-
tiven Idealismus verlangt gleichmäßig eine überindividuelle, eine
o n t o l o g i s c h e Betrachtung der Religion, die zu ergänzen ist
durch eine individuelle, s u b j e k t i v e . Ontologisch und ge-
schichtlich-gesellschaftlich ( v o n o b e n h e r a b ) betrachtet, ist
Religion das Erste, auf dem sich das Geistesleben der Gemein-
schaft und ihrer Glieder, der Einzelnen, aufbaut, ist sie darum auch
— was dem empiristisch-liberalen Standpunkte so befremdlich
klingt —: die Wirksamkeit und Gegenwart der übersinnlichen Welt
in der Gemeinschaft und Geschichte. Subjektiv, vom einzelnen
Menschen aus (das heißt von u n t e n h i n a u f ) , betrachtet ist
Religion das Erlebnis des Übersinnlichen durch den Einzelnen. Man
darf aber nicht vergessen, daß das „Erlebnis“ des Einzelnen nichts
bloß Subjektives, sondern der A u s d r u c k d e s E n t h a l t e n -
s e i n s d e s E i n z e l g e i s t e s i m H ö h e r e n i s t , d e r
B e f a ß t h e i t d e s E n d l i c h e n i m U n e n d l i c h e n , d e s
E i n z e l n e n i n e i n e r W e l t .
Diese unsere Begriffsbestimmung der Religion geht von dem ganzheitlichen
Verfahren aus. Jedoch faßt sie nicht die theologische, sondern die soziologische
Seite ins Auge.
Das religiöse Erlebnis selbst können wir wie viele vor uns als
„Andacht“ im weiteren Sinne bestimmen, die aber wieder im wei-
testen Sinne des Wortes auch als „G l a u b e“ zu bezeichnen ist.
„Andacht“ darf indessen nicht als bloßes Gefühl verstanden werden,
das heißt nicht „psychologisch“. Man muß auf den G e h a l t die-
ses Erlebnisses sehen! Der Gehalt ist aber damit bezeichnet, daß der
einzelne Mensch in der Andacht mit dem Übersinnlichen in eine
(noch so vermittelt gedachte) „Berührung“ kommt. Ohne jede Spur
von Versenkung, von Entzückung ist Andacht unmöglich.
So betrachtet, findet man — und diese Erkenntnis dünkt uns ent-
scheidend — in „Andacht“ und „Glaube“ ein Ursprüngliches, eine
Grundtatsache unseres Selbstes beschlossen, ähnlich den Grundtat-