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folgende ausführliche Betrachtung Simmels hat daher der rein
psychologischen Schule gegenüber sinngemäße Anwendung zu finden.
Hier sei nur bemerkt, daß der Grundgedanke aller selbständigen
„Sozialpsychologie“: der Mensch benehme sich als Glied einer Masse oder
sonstigen „Kollektivität“ anders als im „isolierten Zustande“, verfehlt ist.
Der Mensch ist geistig ohnehin niemals „isoliert“, sondern stets in
Verbindung mit einem andern Geist, das heißt stets G l i e d der
objektiven Geistesinhalte der Gesellschaft. Alle Psychologie ist in
Gesellschaftslehre und auch nicht ihre Grundlage; umgekehrt ist
Gesellschaftslehre, die analytische Lehre vom objektiven Geist, Grundlage
der Seelenlehre, der Lehre vom subjektiven Geist. Der Mensch ist nur als
Kleinwelt der Gesellschaft zu begreifen
1
.
VII. Die formalistische Richtung
Jenen empiristischen Richtungen, welche Gesellschaftslehre als
a l l g e m e i n e Wissenschaft vom Sozialen begründen wollen, steht
entgegen die von G e o r g S i m m e l
2
begründete Gruppe.
Von ihren Vertretern sei hervorgehoben: A l f r e d V i e r k a n d t
3
: Gesellschaftslehre
(1923), 2. Auflage, Stuttgart 1928. Vierkandt, der früher Anhänger Simmels war, näherte sich
jetzt dem Standpunkte des Universalismus / unter dem Namen einer „ S o z i o l o g i e d e r
G r u p p e“. Vierkandt ist aber zum vollen Verständnisse des Universalismus nicht
vorgedrungen. Einerseits soll die „Gruppe“ ein Eigenleben führen (was auf Ganzheit deutet),
andrerseits soll sie sich doch aus „Beziehungen“ zusammensetzen und auf Trieben beruhen.
L e o p o l d v o n W i e s e
4
erklärt die Soziologie als „Lehre von den sozialen
Beziehungen“ und glaubt damit weiterer Verfahrenfragen enthoben zu sein, besonders auch
des Gegensatzes Individualismus — Universalismus, der ihm ein „verstaubter“ ist! Er
übersieht dabei, daß „Gebilde“, „Gruppe“, „Gesellschaft“ hiermit vollkommen
individualistisch erklärt sind, daß er sich mithin selbst auf den Boden dieses Gegensatzes
gestellt hat. — Ähnlich: Mac Dougall, Ross und die „Sozialpsychologen“
5
.
1
Weiteres siehe unten S. 54.
2
Georg Simmel: Soziologie, Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung,
Leipzig 1908.
3
Siehe oben S. 44.
4
Leopold von Wiese: Allgemeine Soziologie als Lehre von den Beziehungsbedingungen
der Menschen, Teil 1: Beziehungslehre, Teil 2: Gebildelehre, München 1924 und 1929.
5
Siehe oben S. 48.