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d e n ? D i e ver- / schiedenen möglichen Antworten sind es, welche uns

die verschiedenen großen Schulen, die sich in der empiristischen

Gesellschaftslehre finden, verstehen und abgrenzen lehren.

(a) Das Naheliegendste und Gründlichste ist, die Wechselwirkung der

Menschen

nach

p h y s i k a l i s c h - m e c h a n i s c h e r

A r t

vorzustellen. „Statik“, „Dynamik“, „Masse“, mathematische Denkformen

bieten sich als Analogien willig an. Aber man merkt bald, daß man damit in

der Forschung nicht weit kommt, daher diese „mechanische Richtung“

nach ersten Erfolgen bald nur wenig Anhang erlangte.

(b)

Verlockend erschien es auch, die Wechselbeziehungen der

Menschen nach b i o l o g i s c h e r = o r g a n i s c h e r A r t

vorzustellen. Das Einheitliche, Innige, Allzusammenhängede der

gesellschaftlichen Erscheinungen schien auf diese Weise leichter faßbar.

„Organisch“, das darf nie vergessen werden, mußte aber auf der gegebenen

Grundlage der Ursächlichkeit und Wechselwirkung gemäß der damals

herrschenden Auffassung durchaus wieder im S i n n e d e r

p h y s i k a l i s c h - c h e m i s c h e n Auffassung des physiologischen

Organismus vorgestellt werden, z. B. als „Zellularphysiologie“ — also

wieder mechanistisch, als engere, innigere Wechselwirkung der Teile

untereinander wie nach außen hin

1

. — Dadurch verflüchtigt sich aber

gerade das am Begriff des Organischen, was über das Mechanische

hinausführen sollte! So blieb nur die grobe „organische Analogie“ übrig, z.

B. der Vergleich der Telegraphendrähte mit den Nerven, der Landesgrenze

mit der Epidermis, die bald ihren Zauber erschöpfte und heute als

erloschen gelten darf

2

.

(c)

Verbleibt

endlich

die

„ p s y c h i s c h e “

W e c h s e l w i r k u n g . Da „organisch“ und „mechanisch“ nur Bilder

sind, das Seelische in der Gesellschaft aber Wirklichkeit hat, so ist nicht zu

leugnen, daß die psychologischen Schulen und die Simmelsche Richtung,

die sich beide darauf aufbauen, wesentlich mehr Boden unter den Füßen

haben, als jene früheren, wie sie denn auch in der neueren Zeit das

gesellschaftslehrliche Schrifttum fast allein bestreiten.

1

So zum Beispiel noch bei Georg Simmel: Soziologie, Untersuchungen über die

Formen der Vergesellschaftung, Leipzig 1908, S. 6: „Ein organischer Körper ist eine Einheit,

weil seine Organe in engerem Wechseltausche ihrer Energien stehen als mit einem äußeren

Sein.“

2

Siehe oben S. 23 f.