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der Urschöpfung ist, daß sie g e s c h i c h t l i c h ist. Darum für

alle tieferen christlichen Theologen gilt, was dem Spiritualisten wie

Frevel erscheinen mag: Gnade setzt überall die Natur voraus!

Ist die Welt einmal gegründet, das lernen wir daraus verstehen,

dann ist alles in ihr geschichtlich. Eines wirkt ins andere. / Nichts

kann neu auftreten, was nicht dem schon Vorgegebenen sich irgend-

wie einfügte, sei es fortbildend, sei es rückbildend. Ohne Bezug-

nahme darauf könnte es nicht erscheinen. Denn alles forterhaltende

Schaffen Gottes und alles abgeleitete Schaffen des Menschen ist nur

ein Umschaffen. Nur die erste Schöpfung ist Urausgliederung, alles

was folgt ist Umgliederung, bis an das Ende der Zeiten.

Wie von der forterhaltenden Schöpfertätigkeit Gottes die abge-

leitete Schöpfertätigkeit des Menschen (und der Geschöpfe über-

haupt) zu trennen ist, das erklärt am besten der oft berührte Be-

griff der Eingebung. Er zeigt, daß dem Menschen eigenes Schaffen

nur möglich wird durch Ergeifen des Eingegebenen, durch ein

„Schaffen aus Geschaffenwerden“. Im „Geschaffenwerden“, das ist

der Eingebung auf Grund der eigenen Setzungskraft (die wieder

nichts anderes ist als die Kraft, Eingebungen zu empfangen und zu

verarbeiten) empfängt das Geschöpf zugleich seine Bestimmtheit,

sein W e s e n — als sein jeweils V o r g e f u n d e n e s Sein.

Ist die Urschöpfung so zu bestimmen wie sich ergab, dann muß

das, was Gott schafft, auch in ihm bleiben. Schaffen ist dann nur

denkbar als das, was man in der Kunstsprache das „immanente

Schaffen“ nennt. Wie entsteht aber dann die außergöttliche Welt?

Die Außergöttlichkeit der Welt haben Platon und Schelling als Ab-

fall erklärt. Abfall ist in manchen geschichtsphilosophischen Lehr-

gebäuden ein tragender Begriff. Darum dürfen wir ihn nicht kurz

übergehen, sondern müssen diesen Begriff einer genauen Prüfung

unterziehen.

B .

S c h ö p f u n g u n d A b f a l l

1. Wesen des Abfalles

Der Abfall ist bei Schelling schon mit der Individuation gegeben,

das Sichselbstwollen ist ihm schon der Abfall. „Diese Seele“, / sagt

Schelling, „in welcher das Wollen [das heißt das Sichselbstwollen]

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