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beschränken, werden aber das Nötige stets in Erinnerung bringen.

Das Erste, woran wir anknüpfen, ist

A.

Die U n t e r s c h e i d u n g v o n U r s c h ö p f u n g ,

f o r t e r h a 1 t e n d e r S c h ö p f u n g , a b g e l e i t e t e r

S c h ö p f u n g

Wer das Wesen der Schöpfung ergründen will, geht am natür-

lichsten von dem aus, was unmittelbar unserer Erfahrung zugänglich

ist, nämlich vom menschlichen Schaffensvorgange. Wir sind ihm an

einem anderen Orte nachgegangen und haben dort die Eingebung

als den Ausgangspunkt des Schaffens erkannt

1

. Der Eingebung muß

jene Loslösung und Vereinfachung des Geistes vorausgegangen sein,

die man Sammlung oder Versenkung nennt. Aber damit wird nur

die Vorbedingung für das Auftreten der Eingebung, des Einfalls (der

Intuition, der Vision, des Gesichtes, des „inslacs“ der Mystiker) er-

füllt. Die Eingebung ist dem Menschen stets vorgegeben, er findet

sie vor, er wirkt und bildet sie nicht selbst. In ihr wird sein Geist

geschaffen, ihr Auftreten ist sein „Geschaffenwerden“. Erst wenn die

Eingebung angenommen und verarbeitet wird, beginnt das eigene

Schaffen. Erst wenn das vom Maler oder Dichter erschaute „Gesicht“

gemalt, erst wenn es gestaltet, in Gedicht oder / Schauspiel dar-

gestellt wird, schafft der Künstler selbst. Ebenso auch schafft der

Denker erst, wenn er seinen Einfall in Gedanken faßt, ihn „dis-

kursiv“ verarbeitet, zum Begriffsgebäude ausbaut usw. Ob wir die

großen Taten der Dichter, Denker, Feldherren und Staatsmänner

oder die alltäglichen Werke des einfachen Menschen ins Auge fas-

sen, immer ist das menschliche Schaffen ein abgeleitetes Schaffen,

ein Schaffen aus Geschaffenwerden.

Anders die Urschöpfung, die in der ersten Schöpfung der Welt,

aber auch in der forterhaltenden Schöpfertätigkeit Gottes nach

Gründung der Welt besteht. Sie bleibt in ihren Tiefen immer ein

Geheimnis und dem Menschen unerreichbar. Ihr nahe zu kommen,

1

Siehe mein Buch: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, Bd 1, S. 50 f.,

218 f. und 224 ff. [2. Aufl., Graz 1969, S. 52 f., 201 f. und 207 ff.].