I.
Von der Mystik zur Magie
Ist das mystische Bewußtsein im menschlichen Geist erweckt,
welche Entwicklungen schließen sich daran und wie entfalten sich
damit weiterhin jene Ausgestaltungen, Konkretisierungen, welche
erst die empirischen Religionen bestimmen?
Das ist die große Frage, welche wir der Religionsphilosophie
stellen. Denn daß das mystische Bewußtsein mit seinen Konkreti-
sierungen die empirischen Religionen der Geschichte nicht allein
und ausschließlich erklären könne, daß vielmehr noch ein Prinzip
gefunden werden müsse, welches die ungeheure Mannigfaltigkeit
und sogar das Blutrünstige, Greuelvolle in der Geschichte der Re-
ligionen erklärt, kann nicht bezweifelt werden. Welches ist dieses
Prinzip? — die Magie!
Die Erklärung muß vom mystischen Gottesbewußtsein ausgehen.
Dieses sieht alles in der Welt mit den Augen der Göttlichkeit an.
Wie der Taucher durch das Wasser hindurch die Fische im Wasser
sieht, so sieht der mystisch Empfindende die Seele der Menschen
und die Dinge der Natur in Gott getaucht. Er sieht Gott in der
ganzen Schöpfung, weil er ihn als das einzig Wirkliche und Wesen-
hafte und in allem den göttlichen Seinsgrund spürt. Die ganze Welt
ist ihm gleichermaßen gottdurchwaltet.
Bliebe es nun bei diesem Verhältnis, so wäre ein hoher Mono-
theismus die einzige Entfaltung des mystischen Gottesbewußtseins
mit den Konkretionen der Liebe, Totenverehrung und allen jenen
anderen Gestaltungen, die wir soeben betrachteten.
Auf einer solchen Höhe vermag sich indessen der menschliche
Geist nicht zu halten. Der Mensch sinkt von dem mystischen Be-
wußtsein auf einen tieferen Zustand herab: Welche sind aber die
Schritte dieses Herabsinkens? Und welche Folgen haben sie?
Indem eine Ablenkung oder Schwächung des mystischen Be- /
wußtseins eintritt, wird erstens das Gottes- und Geistesbewußt-
sein, zweitens das Naturbewußtsein des Menschen geändert!