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II. Das Wesen der Magie
Ob es Magie wirklich gebe und sie nicht nur bloßer Aberglaube,
Fabelei, Selbsttäuschung, Betrug sei — diese Frage auch nur aufzu-
werfen, erscheint heute den meisten absurd. Man meint, es gebe
keinen Zauber, es gebe nur Naturgesetze, streng ursächlich be-
stimmte Abläufe des Geschehens, welches man mathematisch vor-
ausberechnen könne wie die Mondesfinsternisse („Laplacische Welt-
formel“).
Demgegenüber behaupten wir: Es g i b t M a g i e , und sie
läßt sich sogar mit der naturwissenschaftlichen Ansicht der Dinge
in bestimmtem Sinne vereinigen. Die Möglichkeit von Magie oder
Zauber zeigt sich den beseelten Wesen gegenüber, wenn wir uns
einen unmittelbaren Rapport mit ihnen vorstellen, der ihr seeli-
sches Zentrum beeinflußt (z. B. in Hypnose und Telepathie); sie
zeigt sich aber auch der Natur gegenüber, sobald wir nämlich
die Natur lebendig auffassen, und das heißt: die m a t e r i e l -
l e n D i n g e m i t i m m a t e r i e l l e n W u r z e l n o d e r
Z e n t r e n d e n k e n . Nicht nur die geistigen, auch die stoff-
lichen Wesen haben innere, immaterielle Zentren
1
. Die Natur ist
durch sie lebens- und geistesähnlich.
Indem nun im gewöhnlichen Verlauf des Geschehens die Aktio-
nen der Natur überaus b e s t ä n d i g sich gestalten, sind die
mathematischen Gesetze am Platz und gelten in der Praxis min-
destens mit großer Genauigkeit (wenn auch nicht mit absoluter).
Wenn aber auf die inneren Zentren der Naturdinge eingewirkt
wird, können ihre gewöhnlichen Aktionen verändert werden, auch
das nicht mit schrankenloser Willkür, sondern nur im Sinne der
Steigerung oder Hemmung der normalen Art der Aktionen.
Haben also die Naturdinge immaterielle Zentren, wie auch die
geistigen Wesen, dann ist eine außerordentliche seelische Fühlung-
nahme mit ihnen und damit auch eine Einwirkung des Menschen
auf sie grundsätzlich möglich — und eben das ist Magie!
1
Die nähere Begründung dafür würde uns hier zu weit abführen. Ich-gab sie
in meinen Büchern: Naturphilosophie, Jena 1937, S. 68 ff. [2. Aufl., Graz 1963,
S. 65 ff.] und Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 355 ff. [2. Aufl., Graz
1969, S. 320 ff.].