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Geht man dieser Einsicht nur tapfer nach, so findet man denn
auch, daß in Wahrheit alle höheren Religionen gleiche Urweisen /
und Urbegriffe zeigen. Soll denn wirklich der Germane zu Wotan,
der Grieche zu Zeus, der Inder zu Indra umsonst gebetet haben?
Das können wir nie und nimmer bejahen! Und die Alten, welche
die Götterwelt der Ägypter, Griechen, Römer, Germanen kühnlich
als dieselbe ansahen, hatten in diesem Kardinalpunkte mehr recht
als die neuzeitliche Religionsgeschichte, welche so sehr auf die Ver-
schiedenheiten blickt, daß sie darüber die verborgene Einheit ver-
liert.
Allerdings darf uns die Einsicht in die Einerleiheit der innersten
Religiosität in allen Religionen ihre gewaltigen Unterschiede nicht
verdunkeln. Die Verhältnismäßigkeit der Formen der Religionen
enthebt uns nicht der Prüfung aller und der Entscheidung für die
höchste.