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wird Leben, das heißt, Gottes Wesen ist mein Leben. Durch die

Teilnahme am göttlichen Leben nimmt der Mensch die ganze Schöp-

fung in sich auf. Er wird eine Herberge Gottes, das Fünklein die

Wurzel aller Seelenkräfte. Im mystischen Zustande wird der Mensch

Gottes inne, da ihn Gott erleuchtet. Der Mensch erkennt, sofern

er erkannt wird. In dieser Einheit aber ist der Mensch mitschaffend,

er schaffe, wie Eckehart sagt, urbildlich alle Dinge mit Gott. Er ist

ein Mitwesen Gottes. „Da ich stand in dem Grunde und Boden . . .

der Gottheit, da fragte mich niemand wohin ich wollte“ und „Bruder

Eckehart, wann ginget ihr aus dem Hause? — eben (während man

mich fragt) war ich darin“ (Bd 18, 168).

Wer die Seelenlehre Eckeharts verstehen will, wird feststellen, daß

bei ihm die zentrale Frage der Zusammenhang der Seele mit Gott ist,

alles andere, wie die Begriffe, ist zweitrangig. Die Gottheit, in der er

geboren wurde, ist sein Vaterland, denn ehe er selber wurde, ward er

in Gott. So wird die mystische Erfahrung für Eckehart die Vorweg-

nahme der Seligkeit bzw. der Unsterblichkeit.

Nach Eckehart ist der innere Mensch nicht in der Zeit oder an

einem Ort, sondern in der Ewigkeit. Die Seele ist bei ihm eine Samm-

lerin, je enger sie ist, das heißt, je mehr sie gesammelt hat, desto

weiter auf Gott hin ist sie.

In der Naturphilosophie ist das Naturleben und damit die Tätig-

keit aller Geschöpfe ein Weg der Natur zu Gott; in der Sittenlehre

wieder ist das Leben des Menschen ein Weg zu Gott, daraus folgt,

daß der Mensch und die Natur eine Einheit, eine Ganzheit sind, auf

ihrem Weg zu Gott hin. So kann man die Sittenlehre nur von der

Naturphilosophie her verstehen.

Die Gottesgeburt in der Seele ist das höchste Ziel des Lebens.

Die Seele aber muß durch die Welt hindurch, wenn sie Gott auf-

nehmen will. So wird sie abgeschieden. Abgeschiedenheit bedeutet,

daß die Seele in sich selber ist, reine Selbstbetrachtung und dabei

offen für Gott.

Wichtig ist weiters die Gemeinschaft, die Gezweiung; der Mensch

ist nicht allein, er bedarf des Mitmenschen, des Anderen, der Gemein-

schaft, nur so kann er sich entfalten. Wer in der Gemeinschaft steht,

hat Geist. Und daraus wieder eine weitere Folgerung. Dem Menschen

wird die Pflicht der Tätigkeit auferlegt, durch sie kommt er zu Gott.