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Der Geist wird durch die Tat veredelt. Die Arbeit ist Freude, nicht

Leid und Ausbeutung, nicht Entfremdung, Nichtstun ist gegen die

Natur des Menschen. Fürwahr die Grundlage für eine neue, moderne

Soziallehre!

In der Abgeschiedenheit erreicht der Mensch das höchste Ziel,

somit ist sie nach Eckehart die höchste Tugend. Abgeschiedenheit

wird aber erst dann sinnvoll, wenn sie sich im Tun, im Werk aus-

gießt, vollendet. Für die Tugendlehre gilt der Grundsatz, daß der

Geist in Gott verankert sein muß, mitten in den Unbilden der Welt.

Eine Einteilung der Tugenden ist bei Eckehart nicht zu finden.

Er weist immer wieder auf die Liebe, Demut und Barmherzigkeit

hin, wobei aber auch die „Mitteilsamkeit“ hinsichtlich des durch

Gott Empfangenen wesentlich ist. Entscheidend ist der gute Wille.

Je mehr Gerechtigkeit, desto mehr Sein. So ist der Begriff der

Gerechtigkeit ebenfalls wesentlich für die Tugendlehre, ja manche

Eckehartforscher stellen ihn in den Mittelpunkt der Lehre.

Gott ist das Vollkommene, das Unvollkommene ist Minderung des

Seins. Was nicht auf Gott gerichtet ist, ist böse. Das Böse endet im

Nichts, und das Nichts ist die Ursache allen Übels. Daher ist Sünde

Abkehr von der Seligkeit, Durchbrechung der Ordnung. Wer vom

Sein abfällt, erleidet den Tod. So ist der Tod Seinsminderung, Leiden.

Erlösung aber ist innere Freiheit, Wahrheit, Vollkommenheit. Leiden

ist Tun, Gott leidet mit uns, wird die Seele verletzt, wird der Kosmos

verletzt. Welch eine großartige Entsprechung!

Was aber ist der Sinn des Lebens? Er besteht darin, daß sich der

Mensch zu einem höheren Wesen bilde. Nach Eckehart wurde der

Leib des Menschen von Erden, die Seele aber von Gott. Eckehart

stellt sich die Seele als ein Art Vorsein in Gott vor. Der Mensch hat

die Pflicht, sie für die Vereinigung mit Gott vorzubereiten. Aber

nicht nur die Seele wird in Gott eingebracht, sondern alle Dinge.

Darin besteht die Würde des Menschen, er wird zum Führer des Alls

und trägt dadurch die Verantwortung für das All. Als Werkzeug

Gottes hat er alle Kreaturen für Gott vorzubereiten. „Ich a l l e i n e

b e r e i t e alle K r e a t u r e n w i e d e r a u f G o t t vor“

(Bd 18, 245).

Wer meint, die von Eckehart vertretene Lehre sei bloß dichte-

rische Einbildung, dem gibt Eckehart folgende Antwort: „Ein