Table of Contents Table of Contents
Previous Page  257 / 413 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 257 / 413 Next Page
Page Background

257

nis allein genügt nicht, sie muß eben in Leben und Handeln umge-

setzt werden. Bei Eckehart haben wir die echten Grundlagen einer

abendländischen Mystik vor uns, die sich klar von der Meditation

des Ostens abgrenzt. Eckehart, der Mensch, der innerhalb seines

Ordens eine hohe Stellung geistiger und praktischer Art erreichte,

hat immer wieder in seinem Leben die Lehre unter Beweis gestellt.

Und noch etwas ist besonders hervorzuheben: das Verhältnis des

Menschen zur Natur. Die Natur, der Kosmos sind für Eckehart

nicht tote Gebilde, sondern dienen in ihrer Entfaltung der Ver-

herrlichung Gottes, jedes hat daher in der Natur seinen Rang und

seine Würde, selbst der Stein, dem nur das Wissen hiezu fehlt. Auch

hier wieder ein Hinweis für uns moderne Menschen, die in der Natur

nur die Ausbeutung sehen. Durch eine Umkehr könnte wieder ein

neues Verhältnis des Menschen zur Natur gewonnen werden.

Im Mittelalter war das Streben des Menschen einseitig auf das

Jenseits gerichtet, das Diesseits trat in den Hintergrund, heute ist

es umgekehrt, der Mensch lebt nur mehr im Diesseits, Gott ist in

eine unerreichbare Ferne entrückt. Gott wird mehr oder weniger

zu einer Hypothese. Da müssen wir wieder die Grenzen erkennen,

die Synthese anstreben, die Ganzheit herstellen, wie sie uns Ecke-

hart und Spann anbieten.

Im Sinne der Mystik eines Eckehart ist es auch nicht so, daß die

Transzendenz ausschließlich im Vordergrund steht; nur wenn das

Erschaute einfließt ins Handeln und in das konkrete Leben, ist

wieder ein geordnetes Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen

und zwischen dem Menschen und der Natur gegeben. Hiezu bietet

uns die Lehre und das Leben des Meisters eine schöpferische Fund-

grube, zu deren fruchtbarer Erschließung Spann entscheidend bei-

getragen hat.

Eine weitere Schlußfolgerung: Man spricht und schreibt heute

viel von der Revolution und vom Wachstum. Doch diese Art von

Revolution ist Anarchie, Zügellosigkeit, Aufruhr gegen die Grund-

werte des Lebens. Bei Eckehart hingegen finden wir die Grund-

lagen einer echten Revolution, die von Gott, vom Geist initiiert ist

und eine völlige Umkehr des Menschen voraussetzt. Genauso ist

es beim Wachstum; das Wachstum, das man heute verlangt, über-

zieht polypenhaft die Natur, es tötet das Leben und den Geist.