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anzurühren; es bleibt im rein Weltlichen befangen — dies muß aber

keineswegs für alle „naturalistische“ Kunst gelten.

Das Lustspiel ist nach Spann ein Werk, das nicht in die Tiefe geht,

was seine Ursache im Lächerlichen hat. Das Satyrspiel der Griechen

jedoch, das sich als viertes Stück an drei Tragödien anschließt, ist

religiös fundiert, wie ja auch die griechischen Götter auf das kräftigste

lachen konnten. In diesen Zusammenhang ist auch die „romantische

Ironie“ zu stellen, die auf dem unauslöschlichen Widerstreit des

Bedingten und des Unbedingten gründet, wie dies die Brüder Schlegel

formuliert haben.

Mehr noch als eine Unvollkommenheitsform des Schönen ist das

Unholdisch-Häßliche, der Satanismus. Dieser kann im schlimmsten

Fall eine Gegenmacht darstellen, die sich auf die Verneinung des

Guten stützt. Die Finsternis tritt als Gefährdung der Existenz der

Kunst überhaupt auf. Es handelt sich hiebei keineswegs um Schwäche

des Rückverbundenheitsbewußtseins, sondern um Anhängerschaft

des Künstlers an das Unholdische, in letzter Konsequenz um Teufels-

anbetung. Diese Entwicklung ist im negativen Sinn viel mehr als das

Unholdisch-Schöne, welches ja notwendigerweise zum Kunstschaffen

gehört. In diesem positiven Sinn sagt Rainer Maria Rilke in der

ersten der Duineser Elegien: „Das Schöne ist nichts als des Schreck-

lichen Anfang“

8

.

Es wird immer problematisch bleiben, in der Kunstphilosophie ein

strenges Kategoriengebäude aufstellen und konsequent anwenden zu

wollen. Anders als in der Erkenntnistheorie, der Logik, der Gesell-

schaftslehre und -philosophie, der Geschichtsphilosophie u. a. ist

das vorliegende Thema seinem Wesen nach unendlich schwerer in

einen kategorialen Aufbau zu fassen. Dies liegt im Wesen der Sache

begründet. Beim Studium von Spanns Kunstphilosophie erschließt

sich dem Leser wie in den anderen Werken eine Anwendung der

ganzheitlichen Kategorien, es bleibt aber bewußt, daß alle Kunst sich

einer durchgängigen Kategorisierung zu entziehen scheint. Umso

höher ist aber die denkerische Leistung zu werten, die dieses Wagnis

unternimmt.

8

Rainer Maria Rilke: Duineser Elegien, Frankfurt am Main 1970, S. 9.