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in den russischen Osten hinein. Dabei bestimmte diesen Zentral-

wert, der alle Künste der Zeit — Baukunst und Malerei, Bildhauerei

und Buchkunst, selbst die Verschönerung des Alltäglichsten —

beherrschte, ein Grundwert, der dem einfachsten wie dem schöp-

ferischsten Menschen der Epoche gegenwärtig war: der religiöse,

verkörpert in einem einzigen Buche, der Bibel.

Spann und seine Generation haben schließlich selbst noch den

Ausgang einer Zeit erlebt, in der ebenfalls ein solcher Zentralwert

das Leben vieler Völker — vereint in einem Mehrvölkerstaate —

bestimmte, ja sie noch einmal zu einem großen Einheitserlebnis

zu fuhren und zu veranlassen vermochte, jahrelang größte Opfer

auf sich zu nehmen: der Zentralwert „Für Gott, Kaiser und Vater-

land“ in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie

11

. Eine darunter

sich auf vielfache Weise dokumentierende, heute oftmals nahezu

unbegreifliche Hingabebereitschaft wirft die Frage auf, ob diese

allein auf die Fülle der Gewalt zurückzuführen sei, die die über-

lieferten Autoritäten handhaben konnten.

Die Lehre, die Spann vom Wesen des Volkstums entwickelt,

stempelt ihn zu einem zwar konservativen, keineswegs aber reak-

tionären Denker. So ist auch die ganzheitliche Lehre ihrem Wesen

nach — obgleich Spann angesichts der viel tiefer angelegten Kate-

gorien seiner „Geschichtsphilosophie“ (Bd 12) diesen Begriff kaum

gebraucht — „konservativ“, was sich fast an jedem der Werke zeigen

ließe: so neben der „Geschichtsphilosophie“ insbesondere an der

ganzheitlichen „Kategorienlehre“ (Bd 9), im „Philosophenspiegel“

(Bd 13), an der „Gesellschaftsphilosophie“ (Bd 11) ebenso wie an

der Vorrangstellung von Religion und Metaphysik, also an der

„Religionsphilosophie“ (Bd 16) und im „Schöpfungsgang des Gei-

stes“ (Bd 10).

Josef Lob weist dies unter anderem mit besonderem Bezug auf

die Volkstumslehre Spanns überzeugend nach, wenn er zitiert (Bd 8,

18 f.): „Die geistige Wirklichkeit in der Geschichte ist nie und

nirgends eine allgemeine, sondern stets nur eine völkische Wirklich-

11

Vgl. dazu Jakob Baxa: Die Geschichte des k. u. k. Feldjägerbataillons Nr. 8,1808—1918,

Klagenfurt 1974.