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misches Zeitdokument aufschlußreich, da die Quästur jedes Semester
die Inskriptionstaxen darin eintrug. Ich war als tschechoslowakischer
Staatsbürger damals an der Wiener Universität Ausländer, zugleich
aber als Sudetendeutscher den Inländern gleichgestellt. Die Taxen
betrugen, nach Gleichstellung, im Semester 1921/22 4.241,— Kronen,
die folgenden dann 20.200,—, 107.000,—, 125.000,— und zuletzt im
Sommersemester 1924 258.000,—; ein wohl eindrucksvolles Spiegel-
bild der damals rasch fortschreitenden Inflation, und keinerlei „Null-
tarif“!)
In seiner gesellschaftswissenschaftlichen Vorlesung hielt Spann
sich weitgehend an sein Werk „Gesellschaftslehre“, das ja bereits seit
1914 vorlag. Für die Vorlesung „Volkswirtschaftslehre“ hingegen lag
kein in sich geschlossenes Werk vor, und der Stoff verteilte sich daher
auf mehrere Bücher Spanns. Die Vorlesung zerfiel in drei Teile:
I. Kurzer Blick auf die Geschichte der Wirtschaft. II. Lehrgeschichte;
hier folgte Spann seinen „Haupttheorien“. III. Das Begriffsgebäude
der Volkswirtschaftslehre.
Der systematische dritte Teil war in folgende Hauptabschnitte
gegliedert: Die Lehre vom Begriff und vom Aufbau der Wirtschaft
(im wesentlichen Leistungslehre und Lehre von der Ausgliederungs-
ordnung der Wirtschaft); Wert- und Preistheorie; Verteilungslehre;
Geld- und Kreditlehre; Krisenlehre. Jeder dieser Abschnitte brachte
nochmals einen kurzen lehrgeschichtlichen Rückblick, Schrifttums-
angaben, besonders in der Geld- und Kredittheorie auch allgemein
geschichtliche und beschreibende Teile. Für diesen dritten Teil
seiner Vorlesung schöpfte Spann sowohl aus dem „Fundament“
wie aus der „Toten und lebendigen Wissenschaft“, besonders aus
deren grundlegenden Abhandlungen „Die Ausgliederungsordnung
der Wirtschaft und ihre Vorrangverhältnisse“ und „Wert, Preis,
Verteilung“
18
.
In den Seminaren, die Spann jeweils zu Beginn des Semesters
mit einem ungemein anregenden Vortrag über Verfahren und Hilfs-
mittel der wissenschaftlichen Arbeit einleitete, war er — der in den
Vorlesungen oft Streitbare und Kämpferische — ungemein höflich,
18
Vgl. dazu auch mein Nachwort zu: Tote und lebendige Wissenschaft, Bd 6, S. 359 ff.