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ja geradezu bescheiden. Gemäß seiner Bestimmung des Seminars

als einer Pflanzstätte des Geistes fühlte und verhielt er sich als Glei-

cher unter Gleichen. Mit größter Geduld ging er auch auf die manch-

mal unbeholfensten und ausgefallensten Beiträge der Seminarteil-

nehmer ein. Auch bei den Prüfungen und Rigorosen war seine vor-

nehme Höflichkeit gegenüber den Kandidaten bemerkenswert, be-

sonders angenehm aber stets seine Pünktlichkeit. Oft bestellte er

die zu Prüfenden bereits vor acht Uhr früh vor der Vorlesung. Jakob

Baxas Anekdote, Spann habe ihn beim staatswissenschaftlichen

Rigorosum geradezu verblüfft, daß „er sich vor der Prüfung unter

Nennung seines Namens vorstellte und mir die Hand reichte“, war

für seine Haltung den Studierenden gegenüber durchaus kennzeich-

nend.

Besonders genau nahm Spann seine Sprechstunden sowie überhaupt

jedwede Fühlungnahme mit den Hörern. Äußerst hilfsbereit, ohne

jede Hast und geduldig stand er — ansonsten immer darauf bedacht,

eilig an das Stehpult seiner Studierstube zurückzukehren — jeder-

mann bereitwillig zur Verfügung. Großen Wert legte er darauf, dem

Anfänger einen gewissen Studienplan anzuempfehlen, wie er auch

in den „Haupttheorien“ enthalten ist. Alle seine wissenschaftlichen

Mitarbeiter hatten den Auftrag, genau so zu verfahren.

An das diesbezügliche erste Gespräch, das Spann Anfang Oktober

1921 mit mir führte, erinnere ich mich in den Hauptzügen: Zuerst

kam der Fahrplan für die Arbeit, sodann der Rat, „vor dicken Büchern

keine Angst zu haben“; deren gesammeltes Studium sei meist viel

wertvoller als allzu zeitraubende Hauptvorlesungen. „Auch in meine

Hauptvorlesung brauchen Sie nicht zu kommen, wichtig sind nur

die Seminare“. An der Philosophischen Fakultät empfahl er mir be-

stimmte weitere Vorlesungen, so z. B. des Psychologen Swoboda

und des Altorientalisten Hüsing. Hinzu fügte er noch: „Und ver-

gessen Sie nicht, der Sie aus der sudetendeutschen Provinz kommen,

möglichst oft ins Burgtheater — immer noch die bedeutendste deut-

sche Bühne, wenn es auch dort schon Leute gibt, die glauben, ihr

nicht mehr einwandfreies Sprechen durch Schreien wettmachen

zu müssen — und so oft wie überhaupt möglich in die Oper zu gehen,

vor allem in die Mozartopern . . . und dann lassen Sie sich bald wieder

anschauen!“. Später, als er mich näher kennengelernt hatte und ich