76
unter dem steten Ringen um magisch-mystische Selbstverwirkli-
chung, das sich nicht bloß mit einem mystischen Erleben bescheidet.
Damit nahm es Spann sehr ernst. Er folgte auf diesem Weg der
Versenkung Jahre hindurch einem Manne namens Johann Baptist
Kerning und dessen Buchstabenlehre. Kerning war ein zur Zeit
Goethes und der Romantik lebender Opernregisseur, der auch
Meister vom Stuhl einer berühmten Weimarer Loge gewesen war;
seinen Versenkungsanweisungen oblagen unter anderem Gustav
Meyrinck und sein Prager Kreis.
VIII. Das Unvergängliche
Es ist vom Leben des Menschen das meiste wohl vergänglich. Es
bleibt aber vom Leben mancher auch Unvergängliches, das nach
ihrem Heimgange zur Überlieferung wird, die besteht und prägt.
So meine ich, steht es wohl auch um Othmar Spann. Das lebendige
und menschliche Bild, das aus seiner Gestalt für seine Mitwelt und
besonders für seine Schüler und Freunde erwuchs, enthält gewiß
Vergängliches.
Was aber bedeutet heute oder einer kommenden Generation
noch der sogenannte „Kampf um Othmar Spann“: für die, die ihn
unmittelbar erlebten, für seine Freunde, die noch leben, sicherlich
Unvergängliches; darüber hinaus für viele aber, die ihn zwar nicht
mehr persönlich kannten, immerhin noch Prägend-Wirksames, ver-
mittelt durch seine unmittelbaren Schüler und Freunde wie ins-
besondere durch sein Werk.
Wie schon zu Lebzeiten um Spann ein echter Freundeskreis stand,
der geistig allerdings von anderem Format und anders orientiert war
als der von den Nationalsozialisten wütend bekämpfte und sogar
einer „geheimen Kommandosache“ gewürdigte sogenannte „Spann-
kreis“, so besteht auch heute ein Kreis, als dessen geistiger Mittel-
punkt Spann immer noch wirkt. Jenen, die ihn nicht mehr persön-
lich erlebten, sondern nur noch mittelbar durch sein Werk kennen,
sei gesagt: Mir ist kein wissenschaftliches oder philosophisches
Gesamtwerk bekannt, in dem sein Schöpfer so lebendig und gestalt-
mächtig hervortritt wie jenes Spanns.