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[VIII]

schichtliche Macht der Neuzeit ist — noch das andere: daß er die heutige

Welt an den Rand des Abgrundes gebracht hat, wird leugnen können, wer

irgend geschichtlichen Sinn besitzt. Mit dem Individualismus als

geschichtlicher Macht ist aber auch schon seine Gegenmacht, der

Universalismus, eingeräumt, und ist dieser auch schon als die einzige

Rettung erkannt, als die Morgenröte einer neuen Zukunft, an der die letzte

Hoffnung hängt.

Nun höre ich schon den üblichen Schuleinwand, daß ich mit diesem

Gedankengange Wirklichkeit und Ideal, Sein und Sollen vermengt hätte.

Wohlan, dieser Einwand ist ein Zeichen beschämender philosophischer

Rückständigkeit; er beruht auf einer materialistischen Verkennung des

Wesens aller Geisteswissenschaft, mit der man nicht länger Staat machen

möge. Sollte die uralte Weisheit, daß das Wahre auch das Gute ist, nicht

einen tiefen Sinn haben? Gewiß begründet die Gesellschaftslehre die

Erkenntnis jenes Gegensatzes von Individualismus und Universalismus

rein zergliedernd, rein auf dem Boden der Tatsachen, wie in den folgenden

Blättern immer wieder hervorgehoben wird. Aber darum ist sie ja eine

Geisteswissenschaft, ist sie sogar die führende Geisteswissenschaft, die

Königin der Wissenschaften, daß sie mit der Zergliederung reiner

Erfahrung zugleich auch eine innere Mitwissenschaft des geistigen Alls,

der Gesellschaft und Geschichte, vermittelt: darin ist nun nichts

Geringeres eingeschlossen als das Wissen vom Unvollkommenen und

Vollkommenen,

von

Verfall

und

Aufstieg.

Echte

gesellschaftswissenschaftliche Erkenntnis befaßt beide, Wirklichkeit und

Idee, gleichermaßen in sich und trägt zweifach das Geistersiegel der

Wahrheit.

Blicke ich nun nach langen Jahren auf das Schicksal des Buches zurück,

so dünkt mich, daß es die geistige Ader der Gesellschaft und Geschichte, ja

auch die verborgene geistige Ader im innern Leben des einzelnen

Menschen aufgedeckt hat; und daß es heute, indem damit eine geheime

Wendung des Zeitgeistes gefördert wird, mehr und mehr durchdringt.

Muß sich die Wahrheit trotz feindlicher Gewalten nicht von selbst

durchsetzen?

Trifft uns trotzdem das Ungestüm der Gegner, so bleibt uns nichts übrig

als das Bewußtsein der guten Absicht und jener Trost, den das Vertrauen

auf den Stern der Geschichte verleiht.

In der L a h n bei Vordernberg, Steiermark, im August 1929

Othmar Spann /